von Christian Jaerschke | Aug. 8, 2014 | Athletes Mind Talk, Interviews
Es wird ein spannendes Rennen bei der Sparkassen Finanzgruppe IRONMAN 70.3 European Championship 2014 in Wiesbaden erwartet. Zum 8. Mal ist Wiesbaden mit dem 70.3 der Hauptanziehungspunkt der europäischen Triathlonszene. Ich war live dabei auf der Pre-Race Pressekonferenz und habe zum Auftakt des Triathlon-Wochenendes die wesentlichen Highlights in zwei kurzen Videos zusammengefasst.
VIDEO 1: Interview Profi Athletinnen
- Erfahre, ob sich die Vorjahressiegerin Daniela Ryf stärker fühlt als im letzten Jahr und ob wie sie zur Titelverteidigung steht.
- Leanda Cave bringt sicher die beste Erfahrung mit ins Rennen. Im Interview spricht sie von ihrer aktuellen physischen Verfassung und mit welchem Ziel sie in den Wettkampf geht, britischer Humor inklusive.
- Natascha Schmitt ist in der Nähe der Radstrecke aufgewachsen. Erfahre mit welcher Motivation die Deutsche ins Rennen geht und ob sie den ersehnten Schub auf dem Rad erwartet.
VIDEO 2: Interview mit den Profi Athleten
- Bart Aernouts spricht über seine Einschätzung des anspruchsvollen Kurses und mit welcher Ambition er ins Rennen geht.
- Erfahre, warum der siebenfache IRONMAN Zürich Gewinner Ronnie Schildknecht dieses Jahr auf die Titelverteidigung verzichtet und beim IM Frankfurt an den Start gegangen ist.
- Bis Chiemsee lief es in diesem Jahr bei Johannes Moldan nicht so richtig gut. Erfahre wie er sich jetzt einschätzt und mit welcher Einstellung er in den Wettkampf geht.
Der zweifache IRONMAN Weltmeister Norman Stadler wollte eigentlich mit einer Staffel über die Schwimmstrecke an den Start gehen. Aufgrund eines Atemweg-Infekts kann er leider nicht an den Start gehen.
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von Christian Jaerschke | Juli 11, 2014 | Athletes Mind Talk, Interviews, Strategien, Videos
Das Rennen um die IRONMAN European Championship in Frankfurt am 6. Juli 2014 war ein spektakulärer und mit Sicherheit auch ein sehr lehrreicher Wettkampf.
Kienle und Abraham flogen förmlich zu ihren Siegen in Frankfurt. Über 2.600 Athleten sind am Langener Waldsee ins Wasser gesprungen, um den sogenannten längsten Tag des Jahres zu starten und an der IRONMAN Europameisterschaft teilzunehmen.
Sebastian Kienle feierte seinen 30. Geburtstag mit seinem ersten Sieg über die volle IRONMAN Distanz, mit Frankfurter Streckenrekord. Er verbesserte den 5 Jahre alten Rekord von Timo Bracht um über 4 Minuten. Corinne Abraham sicherte sich einen weiteren Sieg bei einem großen Rennen nach ihrem Sieg bei der IRONMAN Asia-Pacific Championship im letzten Jahr.
Jan Frodeno hat seinen ersten IRONMAN mit einem großartigen dritten Platz beendet, nachdem er mit drei platten Reifen und Krämpfen auf der Laufstrecke ab Kilometer Null zu kämpfen hatte.
Egal ob Sieg oder Niederlage, aus jedem Wettkampf kann man etwas lernen – auch aus den Tagen unmittelbar vor dem Wettkampf.
Lektion #1: Gehe mit einem Best Case Szenario im Kopf an den Start
Vor einem Rennen kann keiner mit Sicherheit sagen, wer am Ende als Sieger ins Ziel läuft. Auch die Statements der Profis geben nur eine subjektive Indikation für den Ausgang des Rennens. Aber was auch immer ein Athlet den Medien in einer Pressekonferenz, Freunden oder Vereinskollegen mitteilt oder lautlos vor dem Wettkampf zu sich selbst sagt, es hat einen Einfluss auf seine mentale Stärke und die wirkt sich auf die Leistung im Rennen aus. Mit welchem Szenario im Kopf bzw. mit welchem „Mindset“ du an den Start gehst, ist eine Entscheidung. Ich empfehle in jedem Fall das Best Case Szenario.
Hier ein Ausschnitt aus der Pre-Race Pressekonferenz in Frankfurt. Vier Athleten wurden interviewt. Ich persönlich finde. drei davon kommunizieren verbal und/oder non-verbal klar ein Best Case Szenario. Am besten, du machst dir selbst ein Bild.
Lektion #2: Cool bleiben, auch wenn ein Missgeschick passiert.
Ein zerrissener Neo und drei Platten mit dem Rad – das ist schon ziemlich viel Pech in einem einzigen Rennen. Jan Frodeno ist genau das beim IRONMAN Frankfurt passiert. Er ist cool geblieben und hat weitergemacht. Das bei einem Triathlon, insb. bei einer Langdistanz etwas schief gehen kann, liegt nahe. Frodeno im Zielinterview: „…weiterzumachen ist Spirit of IRONMAN, Durchziehen gehört dazu..:“
Lektion #3: Positives Kopfkino
Wenn die Muskeln schmerzen oder du eine Schwächephase hast – starte sofort mit einem positiven Kopfkino.
Sebastian Kienle scheint dabei Hollywood Niveau zu haben. Nach dem Rennen hat er sich so geäußert: „…es ist eines der wichtigsten Sachen in diesem Sport, sich die Schwächen nicht anmerken zu lassen. Ich glaube, dass hat heute gut funktioniert. Ich habe mich auch selber immer schön ‚verarscht’, habe nicht darauf gehört, wenn ich Mal eine Schwäche hatte und habe einfach versucht, immer positiv zu denken. Das ist so wichtig in so einem Rennen.“
Lektion #4: Den Ablauf des Rennens und der Wechsel vorher studieren
Profi-Athleten, Weltmeister und sogar Olympiasieger passiert es, im Wettkampf bei einem Wechsel das Rad oder den Laufbeutel nicht gleich zu finden oder einfach die Orientierung zu verlieren.
Genau so etwas ist Jan Frodeno in Frankfurt passiert. Er hat in der zweiten Wechselzone seinen Laufbeutel zuerst an der falschen Stelle gesucht und dadurch Zeit verloren.
Auch wenn das in seinem Fall sicher nicht entscheidend für den Ausgang des seines Rennens war – es kann viel Zeit kosten und am Ende vielleicht sogar über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Deshalb lohnt es sich, den Ablauf des Wettkampfs und insbesondere die Wechsel vor dem Rennen genau zu studieren und zu visualisieren.
Lektion #5: Auf den eigenen Körper hören
Das Camilla Pedersen überhaupt zur Titelverteidigung in Frankfurt an den Start ging, grenzt an ein Wunder. Nach einem schweren Sturz schien die Karriere der Dänin im letzten Jahr kurz nach ihrem Sieg in Frankfurt beendet. Die sympatische Dänin lag 19 Tage lang im Koma. Die Ärzte sprachen davon, dass sie von nun an an den Rollstuhl gebunden sein werde. Pederson kämpfte sich zurück in den Spitzensport.
Bei der Titelverteidigung lag sie lange gut im Rennen. Beim Laufen ist sie dann allerdings wegen Schmerzen in der Hüfte ausgestiegen. Die Gesundheit geht vor. Es gehört daher auch zur Kompetenz eines Sportlers zu spüren, wann der Körper ein Signal zum Abbruch eines Rennens oder einer Trainingseinheit gibt. Der eigenen Gesundheit zu Liebe gilt: Im Zweifel einen Wettkampf oder eine Trainingseinheit abbrechen! Dein Körper wird es dir danken.
Welche Lektionen hast du bereits in Wettkämpfen gelernt? Was hast du von anderen Sportlern und deren Rennerlebnissen gelernt? Nutze die Gelegenheit und schreibe einen kurzen Kommentar.
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PS: Hast du schon eine Checkliste für deinen nächsten Triathlon Wettkampf? Hier kannst du die bewährte Checkliste von Athletes Mind Tuning kostenlos herunterladen: Link zur kostenlosen Triathlon Wettkampf Checkliste
von Christian Jaerschke | Juli 3, 2014 | Athletes Mind Talk, Interviews
Man könnte das Rennen um die IRONMAN European Championship in Frankfurt einen Kampf der Giganten nennen. Heute haben sich die Top Profis auf der Pre Race Pressekonferenz den Fragen der Journalisten gestellt. Athletes Mind Tuning war live dabei und hat ein paar Eindrücke von den Top Profis vor dem Rennen eingesammelt.

Am 6. Juli ist Showtime. Erstmals gemeinsam in einem Rennen kämpfen der Olympiasieger Jan Frodeno (Mitte), der IRONMAN 70.3-Weltmeister Sebastian Kienle (links) und der IRONMAN-Weltmeister Frederik van Lierde (rechts) bei einem der spektakulärsten Rennen des Jahres um den Europameistertitel und die Favoritenrolle für die IRONMAN-Weltmeisterschaften auf Hawaii.
Es ist wohl das spektakulärste Teilnehmerfeld, das es bei der IRONMAN European Championship je gegeben hat. Neben der Hochkarätigen Besetzung bei den Herren kann auch bei den Damen von einem hochspannenden Rennen ausgegangen werden.
Das Camilla Pedersen zur Titelverteidigung an den Start geht, grenzt an ein Wunder. Nach einem schweren Sturz schien die Karriere der Dänin im letzten Jahr kurz nach ihrem Sieg in Frankfurt beendet. Die sympatische Dänin lag 19 Tage lang im Koma. Die Ärzte sprachen davon, dass sie von nun an an den Rollstuhl gebunden sein werde. Pederson nahm diese Prognose nicht an. Das war im Krankenhaus sicher zunächst eine mentale Entscheidung. Aber aus Gedanken entstehen Pläne, werden Handlungen und schließlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Es folgte eine lange und zugleich unglaublich schnelle Genesungsphase. Denn nach nur neun Monaten hat sich Camilla Pedersen schon wieder in die Weltspitze gekämpft und drei 70.3 Rennen gewonnen.
Mit einem strahlenden Lächeln und voller Selbstvertrauen gab sie auf der Pre race Pressekonferenz zu verstehen „Mein Rollstuhl ist momentan das Rad und ich bin glücklich damit“.
Dass das Comeback Pedersons (links) selbst der versammelten Konkurrenz Respekt abnötigt, versteht sich von selbst. Einen Sympathie-Bonus darf sich die 31-jährige auf dem Weg zur Titelverteidigung bei der IRONMAN Europameisterschaft aber dennoch nicht erwarten. Auf der Wettkampfstrecke über 3,8 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen muss sich die amtierende Europameisterin erneut auf einen Generalangriff der besten Triathletinnen der Welt einstellen. Vor allem die in Südafrika lebende Britin Jodie Swallow (Mitte) – 2013 hinter Pedersen auf Rang zwei – hat noch eine Rechnung offen. Hinzu kommt mit der Östereicherin Eva Wutti (rechts) ein absoluter Geheimtipp. Die in Wien lebende Jura-Studentin legte beim IRONMAN Coppenhagen 2013 die viertschnellste je erzielte Damen-Zeit auf der IRONMAN-Strecke hin und gewann überlegen in 8:37:36 Stunden.
Ebenfalls eine Anwärterin auf einen Podestplatz ist die Neuseeländerin Gina Crawford, die 2013 mit einem neunten Platz auf Hawaii eine Duftmarke hinterließ und im März dieses Jahres beim IRONMAN New Zealand Zweite wurde. Aus deutscher Sicht gilt besondere Aufmerksamkeit Sonja Tajsich, die auf Hawaii im Jahr 2012 einen grandiosen vierten Platz belegte. Außerdem sind die hessischen Lokalheldinnen Natascha Schmitt und Jenny Schulz, die in Frankfurt ihr Langdistanz-Debüt geben wird. Komplettiert wird das deutsche Aufgebot von Kristin Möller. Die Ex-Leichtathletin legte im Vorjahr eine schier unfassbare Marathonzeit von 2:57:13 – knapp 12 Minuten schneller als Pedersen und 19 Minuten schneller als Swallow – auf den Frankfurter Asphalt und holte sich, angepeitscht vom begeisterten Publikum, den dritten Rang.
Bereits vor einigen Wochen sorgte Jan Frodeno, Olympiasieger von Peking 2008, für große Aufmerksamkeit als er seinen Start in Frankfurt und somit seine Premiere über die Langdistanz ankündigte. In der Triathlon Szene gilt der deutsche Quereinsteiger als Geheimfavorit. Ziel ist für ihn nicht nur die Europameisterschaft, sondern vor allem auch die Qualifikation für die IRONMAN World Championship auf Hawaii. Das Frodeno sich auf dem besten Weg dorthin befindet, zeiget der 32-jährige bereits mit seinen Siegen über die 70.3 Rennen in St. George, Kalifornien und Auckland.
Einer, der versuchen will, Frodenos Durchmarsch zu verhindern, ist kein geringerer als der amtierende IRONMAN Weltmeister Frederik van Lierde. Der Belgier will nach seinen Triumphen auf Hawaii und beim IRONMAN France im vergangenen Jahr nun auch in Frankfurt den Sieg einfahren – und nach Möglichkeit mit einer Sub 8h Zeit.
Auch der Drittplatzierte der IRONMAN-Weltmeisterschaft von 2013, Sebastian Kienle aus Karlsruhe, will ganz nach oben auf das Treppchen. Der IRONMAN 70.3 Weltmeister von 2012 und 2013 konnte bereits seine gute Form im Kraichgau unter Beweis stellen, als er überlegen deutscher Meister über die Mitteldistanz wurde. Gegenüber Frodeno zollte er seinen Respekt ab. Auf die Frage nach seiner Verfassung für das anstehende Rennen antwortete er leicht Augen-zwinkernd „…ich dachte gut … bis ich beim Einchecken Jan Frodeno gesehen habe … da bekommt man dann immer Komplexe … der ist größer und dünner, hat mir beim Händeschütteln fast die Hand zerquetscht …“ Dann ergänzte er schließlich, dass er deutlich fitter als letztes Jahr sei und sich auf das Rennen freut.
Weitere Anwärter auf die Medaillenränge sind die beiden Deutschen Jan Raphael und Andreas Raelert. Raphael zeigte schon im vergangenen Jahr, dass ihm die Strecke in Frankfurt liegt. Damals wurde Raphael Vizeeuropameister und ließ damit anderem starke Athleten hinter sich. Andreas Raelert, Inhaber der Weltbestzeit über die Langdistanz, wird im Kampf um den Sieg jedoch auch ein Wörtchen mitzureden haben. Der Rostocker wurde bereits im Mai Dritter beim Thomas Cook IRONMAN 70.3 Mallorca.
Es wird also sicher ein spannendes Rennen am Sonntag. Ich wünsche allen Startern bestmögliche Leistungen und einen fairen Wettkampf. Wenn du nicht selbst am Start bist, empfehle ich dir das Rennen live in Frankfurt anzuschauen oder über die Berichterstattung mitzuverfolgen. Nutze die Gelegenheit und studiere die besten Athleten. Du kannst sicher etwas lernen. Erfolgreiche Sportler zu beobachten ist auch eine Form von Mental Training. Ich bin auf jeden Fall gespannt, wer seine mentale Stärke in einen Sieg verwandeln kann.
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von Christian Jaerschke | Juni 6, 2014 | Athletes Mind Talk, Interviews
Athletes Mind Talk (AMT): Henry Ford hat einmal gesagt: „Ob du denkst, dass du etwas kannst oder ob du denkst, dass du es nicht kannst. Du hast auf jeden Fall Recht. Ich denke, du kannst mehr als du denkst.“ Bei der Athletes Mind Talk Blog Serie interviewe ich Sportler, Coaches und andere herausragende Persönlichkeiten, die über ihre Grenzen gegangen sind und mehr erreicht oder anderen Menschen dabei geholfen haben.

Für diese Ausgabe habe ich mit Christian Müller gesprochen. Er ist der amtierende Ironman Weltmeister der Altersklasse M40-44 und Zweitschnellster Amateur aller Amateure auf Hawaii. Mit einer Zeit von 8:41h holte er 2013 auf Hawaii insgesamt den 20. Platz. Christian hat einen Vollzeitjob und arbeitet bei SAP als Softwareentwickler. Die Liste seiner Triathlon-Erfolge ist lang. Hier ein kleiner Auszug:
– 2009, 2012, 2013: 1. Platz AK Ironman World Champion
– 2013: 1. Platz AK Challenge Roth, Deutscher Meister Langdistanz in 8:28:55
– 2012: 7. Platz Ironman Nizza
– 2011: 5. Platz Ironman Wales
AMT: Was fasziniert dich am Triathlon und wie bist du dazu gekommen? Welche Triathleten haben dich inspiriert und warum?
CHRISTIAN MÜLLER: Triathlon ist eine ehrliche Sportart. Als Jugendlicher bin ich Radrennen gefahren und dort entscheidet über Sieg und Niederlage oft nicht die eigene Physis, sondern ein taktisches Element oder die Stärke der Mannschaft. Im Triathlon kommt es maßgeblich auf Dich und Deine Fähigkeiten an. Das Ergebnis spiegelt fast immer Deinen Einsatz im Training und der Vorbereitung wieder. Eine Sportart, in der gilt: „No excuses!“. So etwas kann mich begeistern. Natürlich haben viele andere Einzelsportarten auch diesen Charakter. Triathlon vereinigt aber drei elementare Sportarten und fordert dich, sich mit allen drei zu befassen und das Training für diese zu optimieren.
AMT: Welche Triathleten haben dich inspiriert und warum?
Allgemein faszinieren mich Athleten, die die Grenzen ihrer Sportart neu ausloten. Sportler, die weiter gehen als ihre Konkurrenten zuvor. Länger oder härter trainieren, neue Wege im Training gehen. Für mich ist Thomas Hellriegel so jemand, der alles für seinen Sieg auf Hawaii gegeben hat. Ohne Kompromisse.
AMT: Wie sieht eine beispielhafte Trainingswoche bei dir im Frühjahr aus, wenn du dich auf eine Langdistanz vorbereitest?
CHRISTIAN MÜLLER: Ich verfolge einen klassischen Ansatz, d.h. möglichst viel Umfang und niedrige Intensität im Frühjahr. Dabei ergibt sich die Grenze durch die beruflichen und familiären Verpflichtungen. Zum Rennen hin werden dann sukzessive Kraft- und intensive Elemente hinzugenommen.

AMT: Wie viele Stunden trainierst du?
CHRISTIAN MÜLLER: In der Regel komme ich auf 20-25 Stunden. Etwas mehr, wenn ein Feiertag in der Woche liegt. Meist bin ich auch im Februar für zwei Wochen auf den Kanaren, um dem kalten und trüben Wetter zu entkommen.
AMT: Wie organisierst du dein Training neben deinem Vollzeit-Job?
CHRISTIAN MÜLLER: Das ist relativ einfach. Ich bin Frühaufsteher. Vor der Arbeit ist deshalb Zeit für eine kürzere Einheit, meist Schwimmen. Abends ist dann das Laufen oder Radfahren dran. Als eine Variante gehe ich auch öfter in der Mittagspause mit Kollegen laufen. Dann fällt der Abend oder Morgentermin weg. Die langen Einheiten, insbesondere auf dem Rad werden am Wochenende abgeleistet.
AMT: Du hast erwähnt, dass du deine Trainingssteuerung weitestgehend oder komplett selbst machst. Kannst du evtl. 1-2 Bücher empfehlen?
CHRISTIAN MÜLLER: Das ist richtig. Beim Training erstelle ich mir meine Planung selbst und versuche auch, die Umsetzung objektiv zu überwachen. Was natürlich nicht immer gelingt. In den letzten Jahren habe ich mir deshalb vor jeder neuen Saison wieder die Frage gestellt, was die Zusammenarbeit mit einem Trainer für mich verbessern könnte. Welche Vor- und Nachteile dies mit sich bringen würde und welche Trainer im Triathlon bzw. einer der Einzeldisziplinen in Frage kommen würden.
Neben der Trainerfrage habe ich mich in all den Jahren aber auch selbst intensiv mit dem Thema Training befasst. Etliches findet sich dazu auf dem Buch- und Zeitschriftenmarkt sowie im Internet. Beim Radfahren und Laufen ist die Umsetzung von Theorie in Praxis relativ einfach, da diese beiden Sportarten im Vergleich zum Schwimmen koordinativ nicht so anspruchsvoll sind. Beim Schwimmen ist meiner Meinung nach nur durch geleitetes Training eine kontinuierliche Leistungsentwicklung möglich. Beim Thema Trainer muss deshalb jeder Athlet einen für sich funktionierenden Kompromiss finden.
Für mich waren folgende Bücher zum Thema Triathlon besonders hilfreich:
AMT: Welche Lessons learned/ Tipps hast du für andere Athleten, die neben einem Vollzeit-Job z.B. eine persönliche IM Bestzeit anstreben?
CHRISTIAN MÜLLER: Leider ist es so: Viel hilft viel! Dabei müssen es aber nicht immer die epischen Trainingseinheiten mit gigantischen Umfängen sein. Kleinvieh macht auch Mist. Wichtig ist in meinen Augen, dass Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat in der Vorbereitung die notwendigen Kilometer zusammen kommen. Dabei zählt jede Einheit. Der Lauf zur oder von der Familienfeier zählt genauso wie das Schwimmen während die Familie einkauft oder auch mit dem Rad ein kleiner Umweg auf dem Weg ins Geschäft oder von dort nach Hause. Alles keine Geheimnisse. Am Ende sind es die Kilometer, die Du in den Beinen oder Armen hast und die dich beim Ironman schneller ins Ziel bringen.
AMT: Was sind deine größten Herausforderungen oder Pain Points für dich beim Triathlon?
CHRISTIAN MÜLLER: Zur Wettkampfsaison, wenn sich das Gewicht dem Optimum nähert, ist es das Schwimmen, besonders am Morgen. Da frierst du oft, selbst wenn eine schnelle Serie geschwommen wird. Ein anderes klassisches Beispiel ist für mich nach einer längeren Radtour noch die Laufschuhe anzuziehen und für einen Koppellauf loszulaufen. Groß ist die Versuchung, zu diesem Zeitpunkt „Feierabend“ zu machen. Da setze ich mir dann gerne ein alternativloses Ziel. Dass ich mit meiner Frau dort verabredet bin oder das Rad mit ihr vereinbart irgendwo abstelle und nach Hause laufe.
AMT: Wie verarbeitest du mental „Zwangs-Trainingspausen“ aufgrund von Verletzungen oder Krankheiten?
CHRISTIAN MÜLLER: Solche Ereignisse gehören zum Sport. Wichtig sind in meinen Augen zwei Aspekte. Erstens: Es gibt tolle Beispiele, wie sich bekannte Sportler nach für sie verheerenden Situation zurückgekämpft haben. Meist sind dann die eigenen Wehwehchen ein Klacks und man muss sich sagen, dann schafft man das selbst auch.
Zweitens braucht man Vertrauen. Wenn man vorher seine Hausaufgaben im Training gemacht hat, gibt es erst einmal keinen Grund zur Panik. Im Gegenteil, solche Auszeiten können dann sogar eine Chance sein, Dinge zu analysieren und zukünftig zu verbessern. Gerade wenn die Auszeit selbst durch falsches Verhalten ausgelöst wurde. Keiner kann 365 Tage bei voller Gesundheit durchtrainieren!
AMT: Wie bereitest du dich in den letzten Tagen auf einen wichtigen Wettkampf (wie die IM Weltmeisterschaft auf Hawaii) vor? Hast du eine bestimmte Routine oder Rituale?

CHRISTIAN MÜLLER: Ich glaube, ich gehöre zu den Verdrängern. Das Training für einem IM, auch dem auf Hawaii, ist meist zwei Wochen vor dem Rennen gelaufen. Danach folgt eigentlich immer ein Standardprogramm, das sogenannte Tapering, bei dem man, wenn man sich eisern daran hält, nicht viel falsch machen kann. Bis zum Tapering dreht sich alles um das Training. Da bin ich so beschäftigt, dass ich gar keine Zeit habe, über das Rennen nachzudenken. Mit dem reduzierten Training in den Tagen vor dem Wettkampf ist aber genügend Zeit zum Grübeln da. Ich versuche, mich dann möglichst mit Dingen zu beschäftigen, die nichts mit Triathlon zu tun haben. Ich versuche auch bewusst, Dinge wie Vorberichte zum Rennen, Internetforen, Wettkampfmessen etc. zu meiden. Erst am Vortag zum Rennen lässt es sich dann nicht mehr ausblenden.
AMT: Viele Sportler haben vor dem Wettkampf mit großer Nervosität zu kämpfen? Kennst du das? Welche Strategien gegen die Wettkampfangst nutzt du oder kannst du empfehlen?
CHRISTIAN MÜLLER: Natürlich kenne ich dies. Besonders wenn man nur wenige Wettkämpfe macht und sich lange Vorbereitet hat, ist man nervös. Man muss das als Teil des Wettkampfes annehmen. Akzeptieren, dass es dazugehört. Auch ich schlafe in der Nacht vor einem solchen Rennen kaum, liege lange wach und schaue auf die Uhr. Mir hilft hier, nochmal innerlich zurückzublicken. Mir klarzumachen, dass ich mich gut vorbereitet, gut trainiert habe. Mit dieser Gewissheit kann dann wieder etwas Gelassenheit einkehren.
AMT: Wie wichtig ist für dich mentale Stärke beim Triathlon? Was hilft dir im Training und Wettkampf, mentale Stärke zu erlangen und/ oder aufrechtzuerhalten? Wie kommst du am besten aus einem Tief wieder heraus?
CHRISTIAN MÜLLER: Vor allem auf den langen Triathlon Distanzen ist die mentale Fähigkeit, ein Tempo einzuschlagen und dann aufrecht zu halten, unheimlich wichtig. Beim Schwimmen fast alles zu geben, beim Radfahren nie in ein Wohlfühltempo zu verfallen und beim abschließenden Marathon durchzulaufen anstatt zu gehen. Immer nach dem Motto: Wenn es nicht wehtut, bist du zu langsam.
Sich über Stunden so zu puschen, setzt eine unheimliche mentale Frische voraus. Diese Frische entscheidet in meinen Augen, ob ich in der Lage bin, ein für meine Verhältnisse super Rennen zu bestreiten oder im Mittelmaß meiner Fähigkeiten den Tag beende. So etwas kann ich nur ein, zweimal im Jahr abrufen. Dies bedeutet für mich aber auch, dass ich nur ein oder zwei Rennen so angehe. Bei den anderen Rennen fordere ich mich zwar auch körperlich, gebe allerdings nicht mental „Vollgas“. In diesen Fällen gehe ich ins Rennen mit der Einstellung „Ich gebe mein Bestes – und gut“. Keine weiteren Gedanken.
Für den Wettkampf ist es für mich unheimlich wichtig, dass man in der Vorbereitung Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten aufgebaut hat. Bei mir sind das Trainingseinheiten, die aus physiologischer Sicht keinen Trainingsnutzen mehr bringen bzw. vielleicht sogar negative Auswirkungen haben. Aber wenn ich in der Vorbereitung ein, zweimal acht Stunden Rad gefahren bin und danach noch eine Stunde gelaufen, gibt mir das die Sicherheit, dass ich auch im Wettkampf solange durchhalte.
AMT: Welche Gedanken gehen dir auf einem IM Wettkampf durch den Kopf? Was motiviert dich beim Radfahren und auf dem Marathon?
CHRISTIAN MÜLLER: Während eines IM hat man viel Zeit nachzudenken. Aber gerade hier lauert eine Falle. Wenn man den Fokus fürs Rennen verliert und gedanklich „abschweift“, verschleppt man das Tempo und wird zu langsam. Idealerweise sollte man sich überwiegend damit befassen, die Rennstrategie umzusetzen. Sprich darauf zu achten, dass man sein Tempo hält. Nicht zu langsam und auch nicht zu schnell wird. Das geht aber nur, in dem man sich Teilziele setzt und sich jeweils nur mit der Erfüllung dieser befasst. Teilweise kann man sich diese vor dem Rennen zurechtlegen. Beispiel: Den ersten Kilometer so hart wie möglich schwimmen. Manche ergeben sich dann aber auch situativ während des Wettkampfes, z.B. einen überholenden Läufer als Tempomacher für sich zu nutzen mit der Vorgabe mindestens den nächsten Kilometer an diesem dranzubleiben und wenn dieses Ziel erreicht ist, wieder einen Kilometer dranzubleiben und so fort…
AMT: Was war, mental betrachtet, der Schlüssel bei deinen größten sportlichen Erfolgen? Welche Beispiele kommen dir in den Sinn?
CHRISTIAN MÜLLER: Für mich ist immer wichtig, dass ich mich im Rennen mit mir und meiner Leistung befasse. Die Zeit und Platzierung sind im ersten Teil des Rennens nicht wichtig. Es gilt in jeder Disziplin das Beste zu geben. Bei guten Rennen erinnere ich mich aber, dass sich dies meist beim Marathon dem letzten Teil geändert hat. Da galt es dann als neues Zwischenziel einen Platz zu halten oder solange Vollgas zu geben, bis man eingeholt wird, was im günstigsten Fall dann nicht geschah!
AMT: Christian, vielen Dank für das Interview.
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von Christian Jaerschke | Mai 9, 2014 | Athletes Mind Talk, Interviews
1. Vorwort
Athletes Mind Talk (AMT): Henry Ford hat einmal gesagt: „Ob du denkst, dass du etwas kannst oder ob du denkst, dass du es nicht kannst. Du hast auf jeden Fall Recht. Ich denke, du kannst mehr als du denkst.“ Bei der Athletes Mind Talk Blog Serie interviewe ich Sportler, Coaches und andere herausragende Persönlichkeiten, die über ihre Grenzen gegangen sind und mehr erreicht oder anderen Menschen dabei geholfen haben.
Für diese Ausgabe habe ich mit Ursula Haller gesprochen. Sie ist Direktorin der Silva-Methode für Deutschland, Österreich und die deutschsprachige Schweiz. Sie hat neben ihrer Silva-Mind-Arbeit jahrzehntelange Erfahrung in der tiefenpsychologischen Therapie und zahlreichen anderen psychologischen Methoden. Viele erfolgreiche Spitzensportler haben in dieser Zeit auf ihr Mentalcoaching vertraut.
InTeil 3 ging es um Mental Training und die (un-)gelebte Praxis im Sport sowie typische Fragestellungen beim Mental Coaching.
In Teil 4 spreche ich mit Ursula Haller über:
- (Geheim-)Tipps und Tricks, die häufig versäumt werden
- Mentaltraining im Aufwind?
- Nervosität im Wettkampf und wie du sie per „Knopfdruck“ bewältigen kannst
- Angst vor Unfällen und Verletzungen
Um das Interview so authentisch wie möglich wiederzugeben, habe ich bei dem hier vorliegenden Transkript des Original-Telefoninterviews weitestgehend auf das Redigieren verzichtet. Deshalb bitte ich an dieser Stelle um Verständnis für eine entsprechend lockere Umgangssprache sowie sprachliche Unreinheiten.
Christian Jaerschke
2. (Geheim-)Tipps und Tricks, die häufig versäumt werden
AMT: Bei den Dingen, die sich ändern müssen im Interesse eines besseren Mentaltrainings: Was sind die Top „Geheimnisse“ im Mental Training, die die meisten Mental Trainer beim Coaching von Athleten versäumen?
URSULA HALLER: Wesentlich ist, nur einmal an einem Geschehen zu arbeiten. Ängste, nicht alle Tage wieder bearbeiten, nicht zehn Mal Ängste bearbeiten.
AMT: Wie geht es richtig?
Ich hole mir die Angst, und wenn sie ganz arg in meinem Empfinden da ist, wird sie verworfen. Ich hole mir eine positive Situation, egal welche, und die funke ich täglich mehrmals an.
Du brauchst dazu nicht wieder und wieder in die Angstsituation eintauchen. Oder dich dann hinlegen, entspannen. Das kannst du dabei auch tun, aber das Wesentliche ist, dass dein Empfinden ständig angeregt wird. Die Freude, das Schöne, damit es Bestand hat.
AMT: Ja. Auf das zu fokussieren, was man wirklich haben möchte, nicht auf das zu fokussieren, was man eigentlich nicht haben möchte. Denn die Energie fließt dorthin, worauf der Fokus gerichtet ist.
URSULA HALLER: Genau. Noch ein Beispiel. Stell dir folgendes vor: Der Skispringer hat seine Angst (vor einem Sturz) bearbeitet und jetzt sieht er den Springer vor ihm in einen unvorstellbaren Wind kommen, richtiger „Trouble“, er hat es gemeistert und kam gut nach unten.
Kannst du dir jetzt vorstellen, dass, wenn du das so auch schon erlebt hast, dass plötzlich da unten im Bauch das Angstgefühl wieder anfangen würde sich zu entwickeln?
Und da ist der springende Punkt. Dazu muss der Sportler sofort, dort am Balken zu sich sagen: Nein! Ich hole mir nur für einen Moment das positive Gefühl in mein Bewusstsein zurück, …das ist meine Freude, das ist mein Empfinden, das ist mein Spaß.
AMT: Ja. Ein weiteres Thema: Wie steht es mit dem Aberglauben bei Sportlern?
Eine Weltklasse Skifahrerin: „Mit den blonden Haaren habe ich nie gesiegt, ich mache mir wieder die anderen.“ Bitte, um alles in der Welt, denkt mir an diese Prophezeiungen, die sie sich selbst auferlegen.
AMT: Ja.
URSULA HALLER: Das muss alles unbedingt gelöscht werden. Ich denke jetzt an meine alten Skifahrer. Da war z.B. eine Skifahrerin, die hatte immer ein Maskottchen mit, und als der Start bevorstand, hat sie hinten in der Ecke ihr Maskottchen auf ein Brett hingelegt. Und bevor sie rausfuhr, warf sie einen Blick zurück. Und wenn das blöde Vieh runtergefallen war, schied sie beim dritten Tor aus.
AMT: Wow.
URSULA HALLER: Das ist unvorstellbar. Das sind die Dinge, die zu wenig beachtet werden.
AMT: Ja. Ursula, du bist vorhin schon auf das Thema Ängste eingegangen. Was ist in dem Zusammenhang bei der mentalen Arbeit noch wichtig?
URSULA HALLER: Betrachte die Ängste als etwas ganz normales. Denn eigentlich, Christian, es ist so was von normal, dass wir Bedenken und Ängste haben. Man braucht sich für solche Dinge nicht genieren.
AMT: Das ist wichtig zu sagen, glaube ich, ja.
URSULA HALLER: Das ist das, was ich den Sportlern auch immer sage. Das ist das, was im Film „Rush“ von Niki Lauda wunderbar gezeigt wird. Der ist so faszinierend und ich sage jedem Spitzensportler: Schau mal, dieser großartige Mensch. Wie viele Ängste hatte er? Wo musste der durch?
Denk doch an die vielen Geschichten von Verbrennungen. Wie viele Menschen habe ich behandelt in einer normalen Therapie mit solchen Sachen? Kannst du dir vorstellen, wenn das so weh tut, wie viel Angst du dann hast vor jedem Feuer?
AMT: Ja.
URSULA HALLER: Aber wir können doch nicht das Feuer verbieten. Wir können nicht sagen, neben dir darf keine Kerze mehr angezündet werden. Das ist doch Nonsens, bitte.
AMT: So ist es.
URSULA HALLER: Das muss bearbeitet werden. Das muss als völlig normal betrachtet werden. Viel Arbeit. Es gibt kein Burn-out aufgrund der Schwere, der Schwierigkeit. Es gibt nur Burn-out der Sinnlosigkeit.
AMT: Schön formuliert.
URSULA HALLER: Schau mal bei den Triathleten, warum sind die alle sofort im Boot? Wenn du heute Ausdauersport machst, wenn du heute Sport machst, wo du über lange Zeit körperliche Stärke brauchst. Da brauchst du mentale Stärke.
Sie müssen einen Weg finden, wie sie ihre Empfindung der Stärke aufrechterhalten.
Kurzer Exkurs: Nimm jetzt einen Hindernislauf. Wenn dann die Reporter sagen: „Oh jetzt ist er aus dem Rhythmus. Wenn er ihn wieder findet, könnte er siegen.
Da weißt du, was der Sportler machen muss. Den Rhythmus kann er nur durch sein Empfinden wiederfinden. Und genau das kann er mental vorab trainieren.
AMT: Ja.
URSULA HALLER: Rhythmus ist ein Gefühl. Du kannst jetzt hernehmen, was du willst. Beim Marathonlauf ist es genauso. Wenn der Läufer anfängt, unrund zu laufen, vergiss es. Das ist das Wesentliche, das ich allen Sportlern immer wieder sage. Dabei ist es so einfach.
AMT: Ich glaube, das ist genau die wesentliche Botschaft. Es ist eigentlich ganz einfach und wir machen es viel zu kompliziert.
URSULA HALLER: Ja. Silva sagte immer: Lasst mir das Leben einfach. Verkompliziert nicht alles. Da gebe ich ihm 100 % Recht.
AMT: Ja.
3. Mental Training im Aufwind?
AMT: Ursula, über die letzten Jahre, wenn man mal zurückblickt, würdest du sagen, dass sich etwas verändert hat in der Bedeutung von mentalem Training bei Sportlern? Hast du das Gefühl, das ist gestiegen?
URSULA HALLER: Ja natürlich. Du sagst es ganz richtig. Es hat sich sehr verändert und es gibt doch schon viele Sportler, die es machen, nur leider nicht alle richtig. Das ist das Problem. Geschehen tut es schon, sie tun es. Athleten wissen, dass es wichtig ist. Auch die Trainer wissen es, nur was das Schlimmste ist, ist das, wenn der Trainer selbst zweifelt an der Wirkung von Mental Training.
AMT: Ja. Dann ist de Misserfolg vorprogrammiert.
4. Nervosität im Wettkampf und wie du sie per „Knopfdruck“ bewältigen kannst
AMT: Ein Punkt, den wir auch schon gestreift haben, ist Nervosität vor einem Wettkampf. Das ist ein Thema, das hören wir immer wieder von Sportlern. Was wären deine Tipps, die du Sportlern auf den Weg geben würdest?
URSULA HALLER: Ihnen Trigger einzubauen und Techniken der Ruhe an die Hand zu geben. Denn Ruhe ist das Gegenteil von Nervosität. Du musst immer auf den Menschen eingehen. Wann findest du Ruhe? Wann geht es dir in der Seele und im Geist gut? Wann fühlt sich dein Körper so richtig wohl?
AMT: Ja. In der Neurolinguistischen Programmierung (NLP) würde man heute sagen, genau in diesem Gefühl einen Anker zu setzen.
URSULA HALLER: Die 3-Finger-Technik von Silva ist genau eine solche Anker Technik. Verbinde dieses positive Gefühl der Ruhe, Entspannung oder Stärke – es geht dir gut oder du gehst am Strand spazieren. Ich mache das dann auch oft mit den Sportlern real. Wir erzählen, wir sprechen. Wir reden dann über irgendwas ganz anderes im Spaziergang. Irgendwann merkt der Sportler: Jetzt fühle ich mich besonders wohl. In diesem Moment soll er folgendes tun: Schließe deine drei Finger und sage dir: Ich möchte dieses Gefühl beibehalten und abrufen können in jedem Moment.
AMT: Ja. So wird der Anker gesetzt.
URSULA HALLER: Jetzt ist es wichtig, dass er beim nächsten Wettkampf darauf achtet, wann er denn schon in die Nervosität einsteigt. Viele Sportler erkennen die Nervosität meist erst dann, wenn sie schon richtig arg da ist und ich lehre ihnen dann, schon vorab zu erkennen: Wo hast du schon nicht mehr die ganze Ruhe in dir? Wann ist das schon der Fall? Beim Anziehen? Weißt du, was ich meine?
AMT: Absolut.
URSULA HALLER: Es geht darum, so früh wie möglich die Nervosität zu bearbeiten, sofort die Ruhe zurückzuholen. Meinen Slalomfahrern habe ich früher immer gelehrt, mit der 3-Finger-Technik zu arbeiten: Sie haben die Technik oft kurz vor dem Wettkampf angewendet und dann waren sie im Geist schon auf der Strecke, sind im Geist nach unten gefahren, haben die Ruhe wieder gefunden und das hat ihnen geholfen.
Im Wettkampf braucht es natürlich mehr als Ruhe. Es braucht auch einen Trigger für den Biss. Weißt du, was ich damit meine?
AMT: Ich weiß, was du meinst.
URSULA HALLER: Denke an das Skifahren. Der Sportler braucht die Ruhe, aber er braucht auch den Speed.
AMT: Also auf Englisch würde man von Peak Performance sprechen oder sich in so einen Zustand bringen, in dem man komplett im Flow ist, wo man komplett in der Sache drin ist und keine Zweifel hat.
URSULA HALLER: Ob du das mit Wut oder Groll machst ist egal.
AMT: Ja.
URSULA HALLER: Und dabei ist es so wichtig, individuell auf den Sportler einzugehen. Ich muss denen das so erklären, damit jeder Einzelne seine Variante, seine Anker findet.
AMT: Genau.
URSULA HALLER: Der Sportler muss seinen Weg finden, wie er das Gefühl von Speed in seinem Körper entstehen lässt, den Flow kommen lässt und das es ihm gut geht dabei. Dann hat er die Kraft von oben bis unten.
AMT: Genau. Der Weg dahin zu kommen mag für jeden Sportler individuell sein. Der eine hört vielleicht Rockmusik und kommt absolut in diesen State rein und der andere braucht vielleicht Beethovens V.
URSULA HALLER: Genau.
5. Angst vor Unfällen und Verletzungen
AMT: In der Umfrage, die ich kürzlich mit Triathleten gemacht habe, ist ein Thema ganz oben auf der Liste die Angst vor Unfällen und vor Verletzungen. Also vor Stürzen auf dem Rad beispielsweise. Was für Tipps hättest du zum Abschluss unseres Interviews dazu?
URSULA HALLER: Ganz wichtig ist, dass du zuerst erfährst, hat er das schon erlebt.
Nehmen wir einmal das Beispiel einer Phobie, einer Schlangenphobie. Und das im Leben hier in Österreich, wo es eigentlich kaum eine giftige Schlange gibt.
AMT: Richtig. Ja.
URSULA HALLER: Eine Phobie ist etwas, was ein Mensch selbst kreiert hat in seinem Empfinden. Ein Erleben ist anders aufzuarbeiten. Ein Erleben ist auch eine Erfahrung im Kopf.
Es ist wichtig zu wissen: Hat der Sportler es erlebt? Hat er es gesehen? Auch das kann es sein, dass der vor ihm gestürzt ist.
AMT: Ja.
URSULA HALLER: Und schon sind wir wieder bei den selbsterfüllenden Prophezeiungen. Ängste können dazu führen, Fehler zu machen. Dann ist die nächste Frage: Vor welchem Fehler hast du Angst, dass es dir geschieht? Du siehst schon, da gehe ich ins Detail. In dem Moment muss ich auch den Fehler ausmerzen, vor dem er Angst hat oder das, was ihm schon des Öfteren passiert ist. Aber wiederum ist das Wesentliche, das Gefühl intensiv herzuholen, zu löschen und eine neue positive Eingabe machen, von welcher Art auch immer. Ob ich heute die Natur dazu nehme. Ob ich irgendwo in den Bergen unterwegs war, ich mich in der Natur wunderbar fühlte oder ein anderes schönes Erlebnis nutze, ist egal.
AMT: Okay.
URSULA HALLER: Also wirklich mehr auf den einzelnen Menschen eingehen. Wie du siehst, da gibt es keine Allgemeinlösung, aber man kann es ihnen in einer Gruppe genauso erklären. Ich habe da positive Erfahrungen und das versteht jeder.
AMT: Ja.
URSULA HALLER: Gut.
AMT: Gut. Ja. Vielen, vielen Dank Ursula für das Interview.
URSULA HALLER: Bitte, bitte.
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von Christian Jaerschke | Mai 7, 2014 | Athletes Mind Talk, Interviews
1. Vorwort
Athletes Mind Talk (AMT): Henry Ford hat einmal gesagt: „Ob du denkst, dass du etwas kannst oder ob du denkst, dass du es nicht kannst. Du hast auf jeden Fall Recht. Ich denke, du kannst mehr als du denkst.“ Bei der Athletes Mind Talk Blog Serie interviewe ich Sportler, Coaches und andere herausragende Persönlichkeiten, die über ihre Grenzen gegangen sind und mehr erreicht oder anderen Menschen dabei geholfen haben.
Für diese Ausgabe habe ich mit Ursula Haller gesprochen. Sie ist Direktorin der Silva-Methode für Deutschland, Österreich und die deutschsprachige Schweiz. Sie hat neben ihrer Silva-Mind-Arbeit jahrzehntelange Erfahrung in der tiefenpsychologischen Therapie und zahlreichen anderen psychologischen Methoden. Viele erfolgreiche Spitzensportler haben in dieser Zeit auf ihr Mentalcoaching vertraut.
InTeil 2 standen die Silva Methode, Intuition und die Bedeutung der Gefühlsebene im Mittelpunkt unseres Gesprächs. Außerdem ging Ursula darauf ein, dass Mentaltraining mehr ist als Visualisierung und Visualisierung mehr ist als Sehen mit den Augen.
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In Teil 3 spreche ich mit Ursula Haller über:
- Mental Training und die (un-)gelebte Praxis im Sport
- Typische Fragestellungen beim Mental Coaching
Um das Interview so authentisch wie möglich wiederzugeben, habe ich bei dem hier vorliegenden Transkript des Original-Telefoninterviews weitestgehend auf das Redigieren verzichtet. Deshalb bitte ich an dieser Stelle um Verständnis für eine entsprechend lockere Umgangssprache sowie sprachliche Unreinheiten.
Christian Jaerschke
2. Mental Training und die (un-)gelebte Praxis im Sport
AMT: Ich mache gerade eine Umfrage unter Triathleten, wo es darum geht, zu bewerten wie wichtig sehen Sie mentale Stärke und da kommt oft als Antwort: Wir sehen das als sehr, sehr wichtigen Einflussfaktor, gerade auf die Leistung im Wettkampf aber auch im Training. In der Praxis ist es trotzdem so, dass es nur sehr wenige Sportler gibt (insb. Im Breitensport aber auch im Leistungssport), die wirklich etwas zur Steigerung der mentalen Stärke tun und dem Mentaltraining auch sehr skeptisch gegenüberstehen. Die Frage ist: Was können wir diesen Menschen sagen?
URSULA HALLER: Weißt du warum? Das mentale Training, was die meist lernen, da schweife ich jetzt aus. Die Spitzensportler, die zu mir kommen, haben einen Trainer, einen Betreuer. Daher weiß ich, wie man dort mentales Training macht.
Dieses mentale Training, das häufig gelehrt wird, ist viel zu aufwendig. Es dauert viel zu lange. Das ist wie im Business. Was sagt denn der Manager? Entschuldigung, ich habe nicht Zeit, dass ich mich eine halbe Stunde hinlege. Ich habe nicht die Zeit, dass ich 20 Minuten mentale Übungen mache.
AMT: Dabei ist mentales Training auch völlig ohne extra Zeitbudget möglich. Viele Techniken lassen sich parallel zu anderen Aktivitäten in den Tag einbauen. Anthony Robbins nennt das NET Time (No Extra Time).
URSULA HALLER: Ja. Und dabei ist es wichtig, dass die Sportler erkennen: Was ist für mich nicht in der Ordnung, wo sind meine Bedenken, wo ist meine Nervosität, wo sind meine Grenzen, die ich selbst gestrickt habe? Das alles muss ich als Sportler eliminieren.
Gleichzeitig ist es wichtig, ein bestimmtes Thema nicht ewig weiterzubearbeiten, sondern dieses Gefühl zu löschen. So möchte ich mich nicht mehr fühlen. Dann sage ich ihnen: „Denk an etwas Wunderschönes in deinem Leben. Es ist egal, was du nimmst: An den Urlaub, an die Hochzeit, an Geburtstage – hol dir jetzt dieses Gefühl her. Lass es ganz intensiv entstehen, entwickeln und jetzt bringst du dieses Gefühl ein in deine sportliche Tätigkeit. Und sage dir: So möchte ich mich fühlen beim nächsten Wettkampf. Darf ich es Mal so locker sagen?
AMT: Absolut.
URSULA HALLER: Ich bringe dir ein Beispiel. Das ist öffentlich, dadurch darf ich es sagen. Denk an Schlierensauer. Im Interview wurde er gefragt: Wie gehen Sie jetzt im Training und im Wettkampf mit dem Sturz um? Da sagt er locker: Wie früher, nur seitdem ich mit Spaß und Freude springe, egal was dabei rauskommt, siege ich immer. Merkst du? Er hat nicht vor Augen, ich bin heute Sieger.
AMT: Oder ich muss der Sieger sein.
URSULA HALLER: Ich sehe das Ergebnis. Zurück zu deiner Frage: Was sage ich denen? Wo ist der Unterschied? Der Unterschied liegt wirklich nur an dem. Wünsch dir dein bestes Ergebnis.
Wenn die Trainer dich heute ständig drängeln, kennst du das, wenn dich jemand drängt?
AMT: Ja klar.
URSULA HALLER: Das ist unangenehm. Wie soll es dir gut gehen dabei? Wie soll das funktionieren?
AMT: So nach dem Motto, dir fehlen noch zehn Punkte für die Olympiaqualifikation oder den Sprung in den A-Kader.
URSULA HALLER: Ganz richtig. Ein anderes Beispiel: Ein Wettkämpfer ist an 20. Stelle. Meist sagen die dann: Was kannst du dir real vorstellen, was du das nächste Mal erreichst? Dann machen sie mit ihnen mentales Training und sie müssen sich das, was ihnen mental in den Sinn kommt, vorstellen.
Auf dieser Basis müssen sie sich ihr Gefühl, ihre Empfindung gestalten. Sagen wir jetzt war er Zwanzigster. Fünfzehnter wäre jetzt schon Top für ihn. Und ich stelle immer die gleiche Frage: Warum nicht Erster? Wo ist das Hindernis? Warum nicht? Was haben sie da für Bedenken?
Und ich gebe auch oft den Auftrag: Frag das mal? Und da habe ich auch ein super Beispiel, das jeder kennt. Das war beim Formel 1 Rennen. Denk mal daran, der junge Mann Hamilton, als er 18 war, wurde er Weltmeister. Warum wurde er Weltmeister? Darf ich wieder den Satz sagen: Weil er unbedarft ins Rennen ging.
AMT: Sehr gut, ja.
URSULA HALLER: Verstehst du den Satz? Unbedarft.
AMT: Genau.
URSULA HALLER: Was machen die anderen? Die sagen, du musst dir das so und so vorstellen. Und genau das ist der falsche Ansatz. Bei dem Beispiel geht es um den Spaßfaktor. Bei vielen Sportlern sehe ich dann aber genau das Gegenteil und sage zu mir: Bitte nein. Nein, der ist ja verbissen und will jetzt unbedingt etwas erreichen.
AMT: Ja, das ist der falsche Ansatz.
URSULA HALLER: Ein anderes Beispiel: Schau mal, jetzt hat ein Sportler es momentan nicht drauf und kann nicht siegen. Der Trainer merkt das, der Betreuer merkt das auch.
AMT: Ja.
URSULA HALLER: Was ist immer die gleiche Antwort? Nehmen Sie sich eine Auszeit. Was ist die Auszeit? Was macht jetzt die Auszeit? Frage dich das einmal. Eigentlich nichts anderes, als was ich in der Geschwindigkeit durch mentales Training und Silva Mind Control mache. In der Auszeit passiert es, dass sich der Sportler alle Tage (das kann man gar nicht verhindern), sagt, ich möchte doch wieder siegen, aber wie. Ja?
AMT: Genau.
URSULA HALLER: Durch diesen inneren Dialog beginnt sein Unterbewusstsein für ihn zu arbeiten. Das weißt du auch von der Gehirnforschung, es arbeitet wie von selbst und sucht nach Lösungen, wieder wettbewerbsfähig zu werden.
Bei der mentalen Programmierung ist die richtige Reihenfolge wichtig, was heißt: Alle Bedenken sind zuerst zu eliminieren. Danach wird ein neues Empfinden zum Geschehen entwickelt. Wenn du nur einen Deckel drauflegst oder Zucker darüber streust, hast du es nicht erledigt, es werden die Bedenken wieder kommen.
Nehmen wir einen Sturz. Ein Paradebeispiel ist der Sturz vom Skispringer Morgenstern. Wie schnell war er wieder auf der Piste? Wie schnell war er wieder oben? Das muss du mal zusammenbringen, dass du dich nach so einem Sturz da oben wieder hinhockst und wieder runter springst. Ja?
AMT: Ja.
URSULA HALLER: Das sind Schwierigkeiten. Er konnte es nur, indem er mental gearbeitet hat. Darum sage ich dir, ich weiß es, die österreichischen Skispringer sind von allen am besten drauf auf dem Gebiet. Die haben am besten verstanden, wie wichtig das Eliminieren ist.
Macht euch einmal bitte eines bewusst: Unser Gehirn ist ein Hochleistungscomputer. Da oben haben wir zwei Teile und das Empfinden haben wir im Bauch. Die drei Anteile arbeiten zusammen und wir müssen uns immer einloggen ins Bauch-Gehirn um von da heraus zu erfahren, zu lernen.
AMT: Es ist auch so, das wesentlich mehr Signale vom Herzen an das Gehirn gesendet werden als umgekehrt.
URSULA HALLER: Ganz richtig. Wenn ich jetzt schon sage, das Gehirn und das Bauchgehirn sind ein Hochleistungscomputer, dann bitte mach dir mal eines bewusst, ich denke immer mit dem banalen Beispiel: Wenn du in deinen Computer ein falsches Wort schreibst, hilft es dir gar nichts, wenn du das Richtige zehn Mal dahinter schreibst. Das ist aber genau das, was viele in ihrem mentalen Training machen.
AMT: Sehr schönes Beispiel, ja.
URSULA HALLER: Ja. Du musst das eine Wort löschen, dann brauchst du das Neue nur ein Mal eingeben. Genau so ist es in dir. Denk an Karate, denk an alle asiatischen Sportarten. Die haben das schon immer gemacht.
Warum können die das? Warum haben wir so Mühe, das zu lernen? Weil das nicht Sportarten sind, wo das Körperliche vordergründig ist, sondern das Geistige.
Körper ist immer wichtig. Ich betone das immer wieder. Es muss sich keiner vorstellen, er braucht gar nicht trainieren. Aber das, was wir in der letzten Zeit wirklich erkennen durften ist, das es in der Weltspitze beim Siegen viel mehr um die mentale Stärke geht als um die körperliche Fitness.
AMT: Gerade im Spitzensport ist das so. Die, die in der Spitze sind, sind physisch alle fit, aber gewinnen tut am Ende wer mental der Stärkere ist.
URSULA HALLER: Ganz richtig. Du sagst es. Das reale Training ist nicht das Wesentliche.
Kommen wir zu einem weiteren Thema: Warum lehrt man nicht allen Sportlern, wenn sie Verletzungen haben, sich mental zu bewegen? Da sind wir jetzt eventuell, wenn man schon meint, bei einem Bild, aber das mit viel Gefühl. Denn, was regt meine Muskeln wirklich an? Das Empfinden, ich mache das jetzt, nicht das Bild bitte.
Ich kann es mir bildhaft vorstellen, aber das Wesentliche ist, das Empfinden in mir. Ich rege jetzt den Muskel an, ich lass ihn wieder los, ich rege ihn an. Nur so funktioniert es.
Beispiel Skifahrer nach einem Unfall: Du stellst dir schon im Krankenbett nach der OP vor, du fährst die Strecke runter. Aber da geht es eben nicht nur um das Bild, sondern um das Empfinden, wie sich der Körper anstrengt, wie sich der Muskel anspannt. Nicht, ich bin da runtergefahren, super war es. Das ist alles zu wenig und das ist der Unterschied.
Das ist genau das, wo Silva immer viel Wert darauf gelegt hat. Es geht um dein Empfinden, um dein Gefühl. Er lehrte uns immer, achtet darauf, dass der Mensch sein Gefühl neu entwickelt, wenn er etwas verändern will.
AMT: Diese Strategie ist in den 70er Jahren sehr erfolgreich von der NASA eingesetzt worden. Als man festgestellt hat, dass Raumfahrer das Problem haben, das die Muskeln zurückgehen, dass die Knochen degenerieren, etc.
URSULA HALLER: Genau, und da war Silva beteiligt.
Mental bedeutet geistige Ebene und da muss ich lernen, das zu tun, zu erfahren was mich weiterbringt. Denn, schau mal, der Spitzensportler lebt von Erfahrungen und Erlebnissen.
AMT: Von denen er lernt.
URSULA HALLER: Genau. Wie du es vorhin schon erwähnt hast, ein guter Spitzensportler fragt sich nicht: Was ist denn da jetzt in meinem Hirn passiert, dass das funktioniert hat? Entschuldigung. Du siehst, es ist egal. Es hat funktioniert.
AMT: Genau.
3. Typische Fragestellungen beim Mental Coaching
AMT: Wenn du mit Sportlern arbeitest, was sind aus deiner Sicht denn so die wesentlichen Themen, die immer wieder aufkommen?
URSULA HALLER: Wie du sagst, die Ängste, die Nervosität, die Angst vor einem Unfall, die Angst vor einem Sturz. Nicht zu vergessen, ganz wesentlich sind auch die unsympathischen Gegner.
Viele Spitzensportler sind im privaten Bereich die besten Freunde. Was erkennen wir daraus? Ich sage den Sportlern immer: Sieh deinen Gegner nicht als Feind. Denn du musst dir nur kurz mal überlegen was es bedeutet, wenn du ein Gefühl Feind in dir. Bitte erzähle mir nicht, da geht es dir gut dabei.
AMT: Da stimme ich dir zu. Ich verstehe das absolut. Das halte ich für extrem wichtig, ja.
URSULA HALLER: Ganz genau. Es ist so wichtig, das sie heute erkennen, welche Einwände sie haben. Was sagen sie denn noch? Es fehlt mir oft an Trainingserfahrung. Da sage ich, bitte dann erklär mir, was das heißt? Du hast trainiert, genauso wie der andere. Was hast du in deinem Training erfahren? Dann kommt als Antwort: Das ist schon ein alter Sportler. Der hat schon viel Erfahrung. Und dann sage ich: Bitte, ich will jetzt von dir wissen, wo fehlt es dir an Erfahrung?
Merkst du, dann kann ich auf das Thema im realen Training eingehen.
AMT: Ja.
URSULA HALLER: Noch einmal, Gefühle sind das Wesentliche. Der Istzustand der Psyche. Wo ist die Einschränkung? Wo ist die Blockade? Genau die erklären sie mir dann.
Ein Beispiel: Vielleicht kennst du die Blicke noch als Kind? Wenn dich der Trainer dann schon so anschaut, weiß du genau, er ist nicht zufrieden. Ich arbeite gerade mit einer jungen Biathletin, die Top ist.
Sie hat dann gesagt: „Ich glaube, die Mama hat ihm gesagt, er soll mich mehr loben. Aber weißt du Ursula, wenn der mich lobt, das wirkt gar nicht, weil der schaut so, das ich weiß das ist nicht ernst, das ist nicht ehrlich.“ Das kennen wir doch alle aus dem täglichen Leben. In dem Moment hat das Lob keine Wirkung, aber gar keine.
AMT: So ist es.
URSULA HALLER: Ja? Was muss ich denn tun? Ich muss mich mit dem Blick des Trainers auseinandersetzen und der Sportler muss das mental aufheben.
AMT: Ein Lob muss authentisch sein.
URSULA HALLER: Ja, und vor allem muss der Sportler begreifen, er macht den Sport für sich und nicht für den Trainer und nicht für die Mutter und für gar niemanden sonst.
AMT: Auch ein wesentlicher Punkt, ja.
URSULA HALLER: Du hattest auch gefragt: Wen betreust du? Da könnte ich dir sagen: Ja, meinen kleinen Schatz, meine 10jährige Enkeltochter, die schon zweimal Staatsmeisterin war, im Trampolinspringen.
Letztes Jahr hatte die Kleine wieder Staatsmeisterschaft in Graz. Albert und ich fuhren mit ihr dort hin in einer Leichtigkeit. Wir hatten nicht ein Wort über den Wettkampf geredet.
Wir sind bewusst am Vortag mit ihr angereist. Am Nachmittag haben wir noch Shopping mit ihr gemacht und am nächsten Morgen fuhren wir in die Halle und die Kleine schaute mich an und sagte: „Oma, ich weiß eines: Nur weil du mit bist werde ich heute siegen.“
Worum geht es mi Kern dabei? Um das gute Gefühl. Womit ich mir das gute Gefühl aufbaue, ist völlig egal. Wenn man sie hinterher gefragt hat: Warst du sehr nervös? „Ich nicht, aber die Oma.“ Weißt du, was ich meine?
AMT: Ja.
AMT: In Teil 4 (nächster Blog) spreche ich mit Ursula Haller über:
- (Geheim-)Tipps und Tricks, die häufig versäumt werden
- Mentaltraining im Aufwind?
- Nervosität im Wettkampf und wie du sie per „Knopfdruck“ bewältigen kannst
- Angst vor Unfällen und Verletzungen
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