10 Stufen zum Erfolg: Was Athleten von Paul Breitner lernen können?!

10 Stufen zum Erfolg: Was Athleten von Paul Breitner lernen können?!

Paul Breitner ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten Fußballer aller Zeiten, jedenfalls für mich. In der Abschluss Keynote auf einem Kongress hat er kürzlich seine 10 Stufen zum Erfolg vorgestellt. Ich war bei dem Vortrag dabei und hatte anschließend die Gelegenheit, ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Was ich daraus mitgenommen habe und was m.E. alle Athleten von Paul Breitner lernen können, erfährst du in diesem Blog.

Zur Erinnerung an seine Erfolge hier eine kurze Zusammenfassung*: „Im Alter von 19 Jahren absolvierte Paul Breitner sein erstes Länderspiel für Deutschland und erkämpfte sich bald einen Stammplatz in der Fußball-Nationalelf. 1972 wird er Europameister, im WM-Finale 1974 verwandelte er einen Foul-Elfmeter und wurde zu einer der spielbestimmenden Persönlichkeiten. 1978 wechselte er zu seinem alten Verein FC Bayern München, mit dem er 1980 und 1981 erneut Deutscher Meister wurde. Seit 2007 arbeitet er als Berater und Scout, seit der Saison 2009/20010 ist er globaler Markenbotschafter des  FC Bayern München.“

Stufe 1: Der Sieg über sich selbst

Hier geht es m.E. im Kern darum, über Grenzen hinauszuwachsen. Meine persönliche Philosophie dazu ist:  „Grenzen sind Limitationen, an die Andere glauben, gemacht von Menschen mit eingeschränkter Sicht.“  Das soll kein Dogma sein, sondern eher ein Mindset, sich weiterzuentwickeln. Es gibt viele mentale Werkzeuge und Techniken, die diesen Prozess unterstützen, die Athleten und ambitionierten Menschen dabei helfen können, über (ihre) Grenzen zu gehen und ihre Möglichkeiten zu erweitern. In diesem Sinne ist meine Botschaft:

  • Stelle limitierende Glaubenssätze und vermeintliche Barrieren in Frage und suche nach Möglichkeiten, sie zu überwinden!
  • Beginne damit, Grenzen im Geist zu überwinden – denn das kann jeder und es kann der entscheidende Schlüssel sein, neue sportliche Bestleistungen und Ziele zu erreichen.

Stufe 2: Zielsetzung

Paul Breitner hat sich früh große Ziele gesetzt: Bundesliga => FC Bayern => Nationalmannschaft => Stammplatz in der Nationalelf => Weltmeister. Für einen Hobby-Triathleten könnten mögliche Ziele sein: Teilnahme Volkstriathlon (Sprintdistanz) => Olympische Distanz (Kurzdistanz) => Mitteldistanz (70.3) => Langdistanz (Ironman).

Ziele sind wichtig, denn sie geben uns eine Orientierung, helfen unsere Gedanken zu fokussieren und unsere Handlungen entsprechend auszurichten.

Ziele dürfen groß sein. Die meisten Menschen setzen sich (zu) kleine Ziele. Allerdings sollten sie auch realistisch sein. Eine bewährte Formel, Ziele richtig zu setzen, heißt SMART. SMART ist ein Akronym für „Specific, Measurable, Accepted, Realistic, Timely“ und dient als Kriterium zur optimalen Definition von Zielen. In Anlehnung an Wikipedia heißt das:

  • S – Spezifisch: Ziele müssen eindeutig definiert sein (nicht vage, sondern so präzise wie möglich).
  • M – Messbar: Ziele müssen messbar bzw. überprüfbar sein (Messbarkeitskriterien).
  • A – Akzeptiert: Ziele müssen von den Empfängern akzeptiert werden/sein (auch: angemessen, attraktiv, abgestimmt ausführbar oder anspruchsvoll). Nur wenn ein Ziel attraktiv genug ist und du es für dich setzt, wird es dir dienen.
  • R – Realistisch: Ziele müssen möglich sein.
  • T – Terminiert: zu jedem Ziel gehört eine klare Terminvorgabe, bis wann das Ziel erreicht sein soll.

Stufe 3: Bereitschaft zu lernen

Ziele zu verfolgen, sich weiterzuentwickeln, neue sportliche Bestzeiten oder Erfolge zu erreichen, bedeutet, die Komfortzone zu verlassen und neue Wege zu gehen. Das geht nur mit der Bereitschaft, kontinuierlich zu lernen. Selbst erfahrene Profis lernen nie aus. Paul Breitner lebt das bis heute.

Ich setze mir jeden Tag zum Ziel, etwas Neues zu lernen. Meist verbringe dann 30-60 Minuten am Tag damit, etwas Neues zu lernen. Meine Empfehlung:

  • Mache es dir zur Gewohnheit, jeden Tag damit zu beginnen, etwas inspirierendes zu lesen. Das muss gar nicht viel sein, ein paar Absätze oder Seiten in einem Buch oder einer Zeitschrift genügen.

Stufe 4: Sachlichkeit und Nüchternheit

Paul Breitner verbindet damit die Frage: Warum tue ich das, also zu trainieren und Fußball zu spielen? Seine nüchterne und klare Antwort lautet: Um zu gewinnen.

Vielleicht hast du eine andere Antwort. In jedem Fall finde ich es wertvoll, diese Frage für sich zu beantworten. Also nehme dir etwas Zeit und beantworte die Frage:

  • Warum machst du Triathlon oder eine andere Sportart?
  • Am besten du schreibst die Antwort auf.
  • Wenn du deine Antwort(en) gefunden hast und noch einen Schritt weiter gehen willst, dann frage: Warum ist mir das (deine Antwort) wichtig? Frage dich nach dem Grund deiner Antwort. Vielleicht gewinnst du ein paar neue Erkenntnisse über dich selbst.

Stufe 5: Kollegialität als Einzelkämpfer

Nach der allgemeinen Auffassung ist Fußball eine Mannschaftssportart. Und natürlich läuft der FC Bayern München oder jedes andere Team zu seinen Spielen als Mannschaft mit 11 Spielern auf. Paul Breitner zufolge geht es aber eben nicht um die romantische Vorstellung von 11 Freunden sondern um 11 Einzelkämpfer, die als Kollegen zusammenarbeiten, um Spiele zu gewinnen.

Im Triathlon oder vielen anderen Einzelsportarten stellt sich die Frage weniger. Deshalb möchte ich zu Stufe 5 folgende Ergänzung hinzufügen:

  • Kämpfe um deine beste Leistung in jedem Wettkampf.
  • Mache im Wettkampf keine Geschenke an die anderen Teilnehmer aber gehe kollegial und fair mit ihnen um.

Stufe 6: Leistungswille und 100% Leistungsbereitschaft

Eine alte Volksweisheit besagt: „Der Wille versetzt Berge“. Im Sport kann der Leistungswille über Sieg oder Niederlage entscheiden. Der Begriff Wille ist abgeleitet aus der Umgangssprache – als eine Substantivierung des Verbs ‚wollen’.

Wenn deine Antworten und die damit verbundenen Gefühle auf die Frage des „Warum?“ aus Stufe 4 stark genug sind, dann hast du beste Voraussetzungen für einen starken Willen, der dich deinen Zielen näher bringt.

Dazu fällt mir eine kurze Geschichte aus einem Buch von Jose Silva (Think and Grow Fit) ein:

Ein junger Schwimmer namens Don hat einen früheren Champion gefragt, ihm das Geheimnis zu verraten, ein Weltmeister im Schwimmen zu werden.

Da fragt der Veteran: Bist du sicher, dass du bereit bist, das Geheimnis zu lernen? Der Junge antwortete: Ich würde alles dafür geben.

Darauf packte der ehemalige Champion plötzlich Don’s Kopf und drückte ihn unter Wasser. Erst baute Don Wiederstand auf, doch dann gab er nach, denn er dachte, der Champion will nur testen ob er sich vor dem Wasser fürchtet.

Als jedoch sein Nacken und sein Rücken zu schmerzen anfingen und er keine Luft mehr bekam, wurde er nervös. Er begann aufs Neue, sich zu wehren. Sein Ringen nach Luft wurde immer stärker. Er wollte den ehemaligen Champion anschreien, ihn loszulassen bevor er sterben würde. Dann dachte er, wenn das der Preis ist, Weltmeister zu werden, vielleicht ändere ich meine Meinung.

Als er spürte, dass er es nicht länger aushalten würde, versuchte er sich mit aller Kraft loszureisen. Dann zog der Champion Don’s Kopf an den Haaren aus dem Wasser.

Nachdem sich Don etwas erholt hatte, fragte ihn der Veteran: Was hast du dir gewünscht, als ich deinen Kopf unter Wasser gedrückt habe? Don antwortete: Ein Weltmeister im Schwimmen zu werden.

Dann sprach der alte Champion weiter: Und was war dein größter Wunsch, kurz bevor ich dich aus dem Wasser gezogen habe? Don’s Antwort: Ein Atemzug voller Luft.

Schließlich fuhr der ehemalige Champion fort: Wenn dein Wunsch, ein Weltmeister zu sein genauso groß ist, wie gerade dein Wunsch nach einem Atemzug voller Luft, dann wirst du bereit sein, hart genug zu arbeiten, ein Weltmeister zu werden. Und jetzt kennst du das Geheimnis meines Erfolges.

Stufe 7: Absoluter Anspruch an sich selbst

Paul Breitner sagte in der Keynote, dass er nie zu 100% mit sich zufrieden war. Ich glaube, genau diese Unzufriedenheit hat ihn zu einem der erfolgreichsten Fußballer aller Zeiten gemacht. Denn Unzufriedenheit, gepaart mit einem starken Willen und großen Zielen, motiviert, sich kontinuierlich zu verbessern. Und Tiger Woods hat einmal gesagt: „Du kannst dich immer verbessern.“

Aus einer Position in der Komfortzone, der vollkommen Zufriedenheit werden selten Weltmeister geboren.

Absoluter Anspruch an sich selbst heißt für mich u.a.:

  • Immer das Beste zu geben
  • Immer nach Möglichkeiten zu suchen, etwas besser zu machen
  • Hungrig zu sein, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln
  • Nie aufzugeben

Stufe 8: Selbständigkeit

Als Sportler in der heutigen Zeit kann man sich schnell daran gewöhnen, fast komplett von seinem sportlichen Umfeld aus Trainern, Coachs, Ärzten, Physiotherapeuten etc. gesteuert zu werden. Natürlich ist es schön und gut, wenn man als Sportler so ein Umfeld hat, dass Trainingspläne vorgibt, Wettkämpfe selektiert, die Regeneration steuert, Rennstrategien entwirft etc.

Es gibt allerdings Niemanden, der dich besser kennt als du selbst und der weiß, was du wirklich willst. Deshalb ist meine Empfehlung:

  • Übernehme selbst die Verantwortung für deine sportliche Karriere und deine persönliche Weiterentwicklung
  • Stelle auch einmal eine Empfehlung in Frage bevor du ihr blind folgst
  • Schärfe deine Wahrnehmung
  • Folge deiner Intuition

Stufe 9: Positives Denken

Wir denken pro Tag 60-80.000 Gedanken. Allerdings sind nur 3-5% davon bewusste Gedanken. Was in den 95-97% unbewusster Gedanken abläuft, ist sicher eine spannende Frage, vielleicht für einen eigenen Artikel. Wenn der Anteil der bewussten Gedanken also relativ klein ist, so ist er umso kostbarer für uns und wir sollten unsere Energie für positive Gedanken verwenden.

Paul Breitner – Beispiel 1: „Ich werde gewinnen, wir werden deutscher Meister“

Paul Breitner – Beispiel 2: Paul Breitner hasste es, bei Schnee und Eis Fußball zu spielen. Irgendwann ist ihm bewusst geworden, dass diese Einstellung ihm und der Mannschaft nicht dienlich ist. Dann hat er dem Ganzen eine andere Bedeutung gegeben und sich 4-5 Wochen im Winter jeden Morgen gesagt „…endlich wieder ein Schnee- und Eisspiel…“

Paul Breitner – Beispiel 3: Man mag es kaum glauben, aber es gab für ihn tatsächlich so etwas wie einen „Angstgegner“. Über die Zeit hat sich bei ihm ein mentales Muster eingeprägt, dass wenn seine Mannschaft zur 70. Minute nicht mindestens 3 Tore Vorsprung gegen dieses Team hatten, am Ende das Spiel verlieren würden. Diese negativen Gedanken haben sich auf sein Spiel und auf die Mannschaft übertragen. Es entwickelte sich schließlich so etwas wie eine selbsterfüllende Prophezeiung, im negativen Sinne.

Irgendwann wurde ihm dieser Zusammenhang bewusst und er hat entschieden, die Mannschaft alleine zu diesem Gegner fahren zu lassen, so dass sich seine Gedanken und seine Einstellung nicht auf die Mannschaft übertragen konnten. Mit Erfolg, der „Fluch“ wurde gebrochen und der Angstgegner wurde zu einem normalen Gegner degradiert.

Stufe 10: Risikobereitschaft zur Persönlichkeitsentwicklung

Wer sich weiterentwickeln will, der muss sich auf Neuland begeben. Ohne Mut zum Risiko geht das nicht.

Als ich mich zu meiner ersten Triathlon Langdistanz (Ironman) angemeldet habe, hatte ich keine Ahnung, ob und wie ich das schaffen würde. Ich konnte es mir im Grunde genommen noch nicht einmal vorstellen.

Ich bin ein Risiko eingegangen und wurde ein Jahr später dafür mit meinem ersten Finish belohnt. Vielleicht gibt es bei dir auch etwas für das es sich lohnt, ein kleines oder großes Wagnis einzugehen.

Was ist deine Meinung zu den 10 Stufen? Nutze die Gelegenheit und schreibe einen kurzen Kommentar.

Möchtest du mehr solche kostenlosen Tipps und Artikel?

Und wenn du den Inhalt des Blogs wertvoll findest, würde ich mich freuen, wenn du den Facebook Like Button anklickst und den Blog mit anderen teilst.

Connect @ LinkedInFacebook, twitter: @cjaerschke

*SAP-Kongress für Versicherer 2014

 Quellen:

Top 5 Strategien zum Schutz und zur Stärkung deines Selbstvertrauens

Top 5 Strategien zum Schutz und zur Stärkung deines Selbstvertrauens

Ein gut ausgeprägtes gesundes Selbstvertrauen kann dich überall hinführen. Fehlt es dir jedoch, sind deine Möglichkeiten eingeschränkt und du gehst schon mit einer virtuellen Zeitstrafe an den Wettkampfstart.

Ob Teufelskreislauf oder Aufwärtsspirale, beides ist möglich und es ist deine Entscheidung, denn du kannst dein Selbstvertrauen steuern. In dem heutigen Blog stelle ich dir meine Top 5 Strategien vor, mit denen Du dein Selbstvertrauen stärken kannst.

Was sind deine Strategien und Erfahrungen, um das Selbstvertrauen zu stärken? Nutze die Gelegenheit und schreibe einen kurzen Kommentar.

Möchtest du mehr solche kostenlosen Tipps und Videos?

Connect @ LinkedInFacebook, twitter: @cjaerschke

Athletes Mind Talk: Interview mit der Mental Trainerin Ursula Haller (Teil 4/4)

Athletes Mind Talk: Interview mit der Mental Trainerin Ursula Haller (Teil 4/4)

1. Vorwort

Athletes Mind Talk (AMT): Henry Ford hat einmal gesagt: „Ob du denkst, dass du etwas kannst oder ob du denkst, dass du es nicht kannst. Du hast auf jeden Fall Recht. Ich denke, du kannst mehr als du denkst.“ Bei der Athletes Mind Talk Blog Serie interviewe ich Sportler, Coaches und andere herausragende Persönlichkeiten, die über ihre Grenzen gegangen sind und mehr erreicht oder anderen Menschen dabei geholfen haben.

Ursula HallerFür diese Ausgabe habe ich mit Ursula Haller gesprochen. Sie ist Direktorin der Silva-Methode für Deutschland, Österreich und die deutschsprachige Schweiz. Sie hat neben ihrer Silva-Mind-Arbeit jahrzehntelange Erfahrung in der tiefenpsychologischen Therapie und zahlreichen anderen psychologischen Methoden. Viele erfolgreiche Spitzensportler haben in dieser Zeit auf ihr Mentalcoaching vertraut.

InTeil 3 ging es um Mental Training und die (un-)gelebte Praxis im Sport sowie typische Fragestellungen beim Mental Coaching.

 

 

In Teil 4 spreche ich mit Ursula Haller über:

  • (Geheim-)Tipps und Tricks, die häufig versäumt werden
  • Mentaltraining im Aufwind?
  • Nervosität im Wettkampf und wie du sie per „Knopfdruck“ bewältigen kannst
  • Angst vor Unfällen und Verletzungen

Um das Interview so authentisch wie möglich wiederzugeben, habe ich bei dem hier vorliegenden Transkript des Original-Telefoninterviews weitestgehend auf das Redigieren verzichtet. Deshalb bitte ich an dieser Stelle um Verständnis für eine entsprechend lockere Umgangssprache sowie sprachliche Unreinheiten.

Christian Jaerschke

2. (Geheim-)Tipps und Tricks, die häufig versäumt werden

AMT: Bei den Dingen, die sich ändern müssen im Interesse eines besseren Mentaltrainings: Was sind die Top „Geheimnisse“ im Mental Training, die die meisten Mental Trainer beim Coaching von Athleten versäumen?

URSULA HALLER: Wesentlich ist, nur einmal an einem Geschehen zu arbeiten. Ängste, nicht alle Tage wieder bearbeiten, nicht zehn Mal Ängste bearbeiten.

AMT: Wie geht es richtig?

Ich hole mir die Angst, und wenn sie ganz arg in meinem Empfinden da ist, wird sie verworfen. Ich hole mir eine positive Situation, egal welche, und die funke ich täglich mehrmals an.

Du brauchst dazu nicht wieder und wieder in die Angstsituation eintauchen. Oder dich dann hinlegen, entspannen. Das kannst du dabei auch tun, aber das Wesentliche ist, dass dein Empfinden ständig angeregt wird. Die Freude, das Schöne, damit es Bestand hat.

AMT: Ja. Auf das zu fokussieren, was man wirklich haben möchte, nicht auf das zu fokussieren, was man eigentlich nicht haben möchte. Denn die Energie fließt dorthin, worauf der Fokus gerichtet ist.

URSULA HALLER: Genau. Noch ein Beispiel. Stell dir folgendes vor: Der Skispringer hat seine Angst (vor einem Sturz) bearbeitet und jetzt sieht er den Springer vor ihm in einen unvorstellbaren Wind kommen, richtiger „Trouble“, er hat es gemeistert und kam gut nach unten.

Kannst du dir jetzt vorstellen, dass, wenn du das so auch schon erlebt hast, dass plötzlich da unten im Bauch das Angstgefühl wieder anfangen würde sich zu entwickeln?

Und da ist der springende Punkt. Dazu muss der Sportler sofort, dort am Balken zu sich sagen: Nein! Ich hole mir nur für einen Moment das positive Gefühl in mein Bewusstsein zurück, …das ist meine Freude, das ist mein Empfinden, das ist mein Spaß.

AMT: Ja. Ein weiteres Thema: Wie steht es mit dem Aberglauben bei Sportlern?

Eine Weltklasse Skifahrerin: „Mit den blonden Haaren habe ich nie gesiegt, ich mache mir wieder die anderen.“ Bitte, um alles in der Welt, denkt mir an diese Prophezeiungen, die sie sich selbst auferlegen.

AMT: Ja.

URSULA HALLER: Das muss alles unbedingt gelöscht werden. Ich denke jetzt an meine alten Skifahrer. Da war z.B. eine Skifahrerin, die hatte immer ein Maskottchen mit, und als der Start bevorstand, hat sie hinten in der Ecke ihr Maskottchen auf ein Brett hingelegt. Und bevor sie rausfuhr, warf sie einen Blick zurück. Und wenn das blöde Vieh runtergefallen war, schied sie beim dritten Tor aus.

AMT: Wow.

URSULA HALLER: Das ist unvorstellbar. Das sind die Dinge, die zu wenig beachtet werden.

AMT: Ja. Ursula, du bist vorhin schon auf das Thema Ängste eingegangen. Was ist in dem Zusammenhang bei der mentalen Arbeit noch wichtig?

URSULA HALLER: Betrachte die Ängste als etwas ganz normales. Denn eigentlich, Christian, es ist so was von normal, dass wir Bedenken und Ängste haben. Man braucht sich für solche Dinge nicht genieren.

AMT: Das ist wichtig zu sagen, glaube ich, ja.

URSULA HALLER: Das ist das, was ich den Sportlern auch immer sage. Das ist das, was im Film „Rush“ von Niki Lauda wunderbar gezeigt wird. Der ist so faszinierend und ich sage jedem Spitzensportler: Schau mal, dieser großartige Mensch. Wie viele Ängste hatte er? Wo musste der durch?

Denk doch an die vielen Geschichten von Verbrennungen. Wie viele Menschen habe ich behandelt in einer normalen Therapie mit solchen Sachen? Kannst du dir vorstellen, wenn das so weh tut, wie viel Angst du dann hast vor jedem Feuer?

AMT: Ja.

URSULA HALLER: Aber wir können doch nicht das Feuer verbieten. Wir können nicht sagen, neben dir darf keine Kerze mehr angezündet werden. Das ist doch Nonsens, bitte.

AMT: So ist es.

URSULA HALLER: Das muss bearbeitet werden. Das muss als völlig normal betrachtet werden. Viel Arbeit. Es gibt kein Burn-out aufgrund der Schwere, der Schwierigkeit. Es gibt nur Burn-out der Sinnlosigkeit.

AMT: Schön formuliert.

URSULA HALLER: Schau mal bei den Triathleten, warum sind die alle sofort im Boot? Wenn du heute Ausdauersport machst, wenn du heute Sport machst, wo du über lange Zeit körperliche Stärke brauchst. Da brauchst du mentale Stärke.

Sie müssen einen Weg finden, wie sie ihre Empfindung der Stärke aufrechterhalten.

Kurzer Exkurs: Nimm jetzt einen Hindernislauf. Wenn dann die Reporter sagen: „Oh jetzt ist er aus dem Rhythmus. Wenn er ihn wieder findet, könnte er siegen.

Da weißt du, was der Sportler machen muss. Den Rhythmus kann er nur durch sein Empfinden wiederfinden. Und genau das kann er mental vorab trainieren.

AMT: Ja.

URSULA HALLER: Rhythmus ist ein Gefühl. Du kannst jetzt hernehmen, was du willst. Beim Marathonlauf ist es genauso. Wenn der Läufer anfängt, unrund zu laufen, vergiss es. Das ist das Wesentliche, das ich allen Sportlern immer wieder sage. Dabei ist es so einfach.

AMT: Ich glaube, das ist genau die wesentliche Botschaft. Es ist eigentlich ganz einfach und wir machen es viel zu kompliziert.

URSULA HALLER: Ja. Silva sagte immer: Lasst mir das Leben einfach. Verkompliziert nicht alles. Da gebe ich ihm 100 % Recht.

AMT: Ja.

3. Mental Training im Aufwind?

AMT: Ursula, über die letzten Jahre, wenn man mal zurückblickt, würdest du sagen, dass sich etwas verändert hat in der Bedeutung von mentalem Training bei Sportlern? Hast du das Gefühl, das ist gestiegen?

URSULA HALLER: Ja natürlich. Du sagst es ganz richtig. Es hat sich sehr verändert und es gibt doch schon viele Sportler, die es machen, nur leider nicht alle richtig. Das ist das Problem. Geschehen tut es schon, sie tun es. Athleten wissen, dass es wichtig ist. Auch die Trainer wissen es, nur was das Schlimmste ist, ist das, wenn der Trainer selbst zweifelt an der Wirkung von Mental Training.

AMT: Ja. Dann ist de Misserfolg vorprogrammiert.

4. Nervosität im Wettkampf und wie du sie per „Knopfdruck“ bewältigen kannst

AMT: Ein Punkt, den wir auch schon gestreift haben, ist Nervosität vor einem Wettkampf. Das ist ein Thema, das hören wir immer wieder von Sportlern. Was wären deine Tipps, die du Sportlern auf den Weg geben würdest?

URSULA HALLER: Ihnen Trigger einzubauen und Techniken der Ruhe an die Hand zu geben. Denn Ruhe ist das Gegenteil von Nervosität. Du musst immer auf den Menschen eingehen. Wann findest du Ruhe? Wann geht es dir in der Seele und im Geist gut? Wann fühlt sich dein Körper so richtig wohl?

AMT: Ja. In der Neurolinguistischen Programmierung (NLP) würde man heute sagen, genau in diesem Gefühl einen Anker zu setzen.

URSULA HALLER: Die 3-Finger-Technik von Silva ist genau eine solche Anker Technik. Verbinde dieses positive Gefühl der Ruhe, Entspannung oder Stärke – es geht dir gut oder du gehst am Strand spazieren. Ich mache das dann auch oft mit den Sportlern real. Wir erzählen, wir sprechen. Wir reden dann über irgendwas ganz anderes im Spaziergang. Irgendwann merkt der Sportler: Jetzt fühle ich mich besonders wohl. In diesem Moment soll er folgendes tun: Schließe deine drei Finger und sage dir: Ich möchte dieses Gefühl beibehalten und abrufen können in jedem Moment.

AMT: Ja. So wird der Anker gesetzt.

URSULA HALLER: Jetzt ist es wichtig, dass er beim nächsten Wettkampf darauf achtet, wann er denn schon in die Nervosität einsteigt. Viele Sportler erkennen die Nervosität meist erst dann, wenn sie schon richtig arg da ist und ich lehre ihnen dann, schon vorab zu erkennen: Wo hast du schon nicht mehr die ganze Ruhe in dir? Wann ist das schon der Fall? Beim Anziehen? Weißt du, was ich meine?

AMT: Absolut.

URSULA HALLER: Es geht darum, so früh wie möglich die Nervosität zu bearbeiten, sofort die Ruhe zurückzuholen. Meinen Slalomfahrern habe ich früher immer gelehrt, mit der 3-Finger-Technik zu arbeiten: Sie haben die Technik oft kurz vor dem Wettkampf angewendet und dann waren sie im Geist schon auf der Strecke, sind im Geist nach unten gefahren, haben die Ruhe wieder gefunden und das hat ihnen geholfen.

Im Wettkampf braucht es natürlich mehr als Ruhe. Es braucht auch einen Trigger für den Biss. Weißt du, was ich damit meine?

AMT: Ich weiß, was du meinst.

URSULA HALLER: Denke an das Skifahren. Der Sportler braucht die Ruhe, aber er braucht auch den Speed.

AMT: Also auf Englisch würde man von Peak Performance sprechen oder sich in so einen Zustand bringen, in dem man komplett im Flow ist, wo man komplett in der Sache drin ist und keine Zweifel hat.

URSULA HALLER: Ob du das mit Wut oder Groll machst ist egal.

AMT: Ja.

URSULA HALLER: Und dabei ist es so wichtig, individuell auf den Sportler einzugehen. Ich muss denen das so erklären, damit jeder Einzelne seine Variante, seine Anker findet.

AMT: Genau.

URSULA HALLER: Der Sportler muss seinen Weg finden, wie er das Gefühl von Speed in seinem Körper entstehen lässt, den Flow kommen lässt und das es ihm gut geht dabei. Dann hat er die Kraft von oben bis unten.

AMT: Genau. Der Weg dahin zu kommen mag für jeden Sportler individuell sein. Der eine hört vielleicht Rockmusik und kommt absolut in diesen State rein und der andere braucht vielleicht Beethovens V.

URSULA HALLER: Genau.

5.  Angst vor Unfällen und Verletzungen

AMT: In der Umfrage, die ich kürzlich mit Triathleten gemacht habe, ist ein Thema ganz oben auf der Liste die Angst vor Unfällen und vor Verletzungen. Also vor Stürzen auf dem Rad beispielsweise. Was für Tipps hättest du zum Abschluss unseres Interviews dazu?

URSULA HALLER: Ganz wichtig ist, dass du zuerst erfährst, hat er das schon erlebt.

Nehmen wir einmal das Beispiel einer Phobie, einer Schlangenphobie. Und das im Leben hier in Österreich, wo es eigentlich kaum eine giftige Schlange gibt.

AMT: Richtig. Ja.

URSULA HALLER: Eine Phobie ist etwas, was ein Mensch selbst kreiert hat in seinem Empfinden. Ein Erleben ist anders aufzuarbeiten. Ein Erleben ist auch eine Erfahrung im Kopf.

Es ist wichtig zu wissen: Hat der Sportler es erlebt? Hat er es gesehen? Auch das kann es sein, dass der vor ihm gestürzt ist.

AMT: Ja.

URSULA HALLER: Und schon sind wir wieder bei den selbsterfüllenden Prophezeiungen. Ängste können dazu führen, Fehler zu machen. Dann ist die nächste Frage: Vor welchem Fehler hast du Angst, dass es dir geschieht? Du siehst schon, da gehe ich ins Detail. In dem Moment muss ich auch den Fehler ausmerzen, vor dem er Angst hat oder das, was ihm schon des Öfteren passiert ist. Aber wiederum ist das Wesentliche, das Gefühl intensiv herzuholen, zu löschen und eine neue positive Eingabe machen, von welcher Art auch immer. Ob ich heute die Natur dazu nehme. Ob ich irgendwo in den Bergen unterwegs war, ich mich in der Natur wunderbar fühlte oder ein anderes schönes Erlebnis nutze, ist egal.

AMT: Okay.

URSULA HALLER: Also wirklich mehr auf den einzelnen Menschen eingehen. Wie du siehst, da gibt es keine Allgemeinlösung, aber man kann es ihnen in einer Gruppe genauso erklären. Ich habe da positive Erfahrungen und das versteht jeder.

AMT: Ja.

URSULA HALLER: Gut.

AMT: Gut. Ja. Vielen, vielen Dank Ursula für das Interview.

URSULA HALLER: Bitte, bitte.

Möchtest du mehr solche kostenlosen Tipps und Artikel?

Athletes Mind Talk: Interview mit der Mental Trainerin Ursula Haller (Teil 3/4)

Athletes Mind Talk: Interview mit der Mental Trainerin Ursula Haller (Teil 3/4)

1. Vorwort

Athletes Mind Talk (AMT): Henry Ford hat einmal gesagt: „Ob du denkst, dass du etwas kannst oder ob du denkst, dass du es nicht kannst. Du hast auf jeden Fall Recht. Ich denke, du kannst mehr als du denkst.“ Bei der Athletes Mind Talk Blog Serie interviewe ich Sportler, Coaches und andere herausragende Persönlichkeiten, die über ihre Grenzen gegangen sind und mehr erreicht oder anderen Menschen dabei geholfen haben.

Ursula HallerFür diese Ausgabe habe ich mit Ursula Haller gesprochen. Sie ist Direktorin der Silva-Methode für Deutschland, Österreich und die deutschsprachige Schweiz. Sie hat neben ihrer Silva-Mind-Arbeit jahrzehntelange Erfahrung in der tiefenpsychologischen Therapie und zahlreichen anderen psychologischen Methoden. Viele erfolgreiche Spitzensportler haben in dieser Zeit auf ihr Mentalcoaching vertraut.

InTeil 2 standen die Silva Methode, Intuition und die Bedeutung der Gefühlsebene im Mittelpunkt unseres Gesprächs. Außerdem ging Ursula darauf ein, dass Mentaltraining  mehr ist als Visualisierung und Visualisierung mehr ist als Sehen mit den Augen.

.

 

In Teil 3 spreche ich mit Ursula Haller über:

  • Mental Training und die (un-)gelebte Praxis im Sport
  • Typische Fragestellungen beim Mental Coaching

Um das Interview so authentisch wie möglich wiederzugeben, habe ich bei dem hier vorliegenden Transkript des Original-Telefoninterviews weitestgehend auf das Redigieren verzichtet. Deshalb bitte ich an dieser Stelle um Verständnis für eine entsprechend lockere Umgangssprache sowie sprachliche Unreinheiten.

Christian Jaerschke

2. Mental Training und die (un-)gelebte Praxis im Sport

AMT: Ich mache gerade eine Umfrage unter Triathleten, wo es darum geht, zu bewerten wie wichtig sehen Sie mentale Stärke und da kommt oft als Antwort: Wir sehen das als sehr, sehr wichtigen Einflussfaktor, gerade auf die Leistung im Wettkampf aber auch im Training. In der Praxis ist es trotzdem so, dass es nur sehr wenige Sportler gibt (insb. Im Breitensport aber auch im Leistungssport), die wirklich etwas zur Steigerung der mentalen Stärke tun und dem Mentaltraining auch sehr skeptisch gegenüberstehen. Die Frage ist: Was können wir diesen Menschen sagen?

URSULA HALLER: Weißt du warum? Das mentale Training, was die meist lernen, da schweife ich jetzt aus. Die Spitzensportler, die zu mir kommen, haben einen Trainer, einen Betreuer. Daher weiß ich, wie man dort mentales Training macht.

Dieses mentale Training, das häufig gelehrt wird, ist viel zu aufwendig. Es dauert viel zu lange. Das ist wie im Business. Was sagt denn der Manager? Entschuldigung, ich habe nicht Zeit, dass ich mich eine halbe Stunde hinlege. Ich habe nicht die Zeit, dass ich 20 Minuten mentale Übungen mache.

AMT: Dabei ist mentales Training auch völlig ohne extra Zeitbudget möglich. Viele Techniken lassen sich parallel zu anderen Aktivitäten in den Tag einbauen. Anthony Robbins nennt das NET Time (No Extra Time).

URSULA HALLER: Ja. Und dabei ist es wichtig, dass die Sportler erkennen: Was ist für mich nicht in der Ordnung, wo sind meine Bedenken, wo ist meine Nervosität, wo sind meine Grenzen, die ich selbst gestrickt habe? Das alles muss ich als Sportler eliminieren.

Gleichzeitig ist es wichtig, ein bestimmtes Thema nicht ewig weiterzubearbeiten, sondern dieses Gefühl zu löschen. So möchte ich mich nicht mehr fühlen. Dann sage ich ihnen: „Denk an etwas Wunderschönes in deinem Leben. Es ist egal, was du nimmst: An den Urlaub, an die Hochzeit, an Geburtstage – hol dir jetzt dieses Gefühl her. Lass es ganz intensiv entstehen, entwickeln und jetzt bringst du dieses Gefühl ein in deine sportliche Tätigkeit. Und sage dir: So möchte ich mich fühlen beim nächsten Wettkampf. Darf ich es Mal so locker sagen?

AMT: Absolut.

URSULA HALLER: Ich bringe dir ein Beispiel. Das ist öffentlich, dadurch darf ich es sagen. Denk an Schlierensauer. Im Interview wurde er gefragt: Wie gehen Sie jetzt im Training und im Wettkampf mit dem Sturz um? Da sagt er locker: Wie früher, nur seitdem ich mit Spaß und Freude springe, egal was dabei rauskommt, siege ich immer. Merkst du? Er hat nicht vor Augen, ich bin heute Sieger.

AMT: Oder ich muss der Sieger sein.

URSULA HALLER: Ich sehe das Ergebnis. Zurück zu deiner Frage: Was sage ich denen? Wo ist der Unterschied? Der Unterschied liegt wirklich nur an dem. Wünsch dir dein bestes Ergebnis.

Wenn die Trainer dich heute ständig drängeln, kennst du das, wenn dich jemand drängt?

AMT: Ja klar.

URSULA HALLER: Das ist unangenehm. Wie soll es dir gut gehen dabei? Wie soll das funktionieren?

AMT: So nach dem Motto, dir fehlen noch zehn Punkte für die Olympiaqualifikation oder den Sprung in den A-Kader.

URSULA HALLER: Ganz richtig. Ein anderes Beispiel: Ein Wettkämpfer ist an 20. Stelle. Meist sagen die dann: Was kannst du dir real vorstellen, was du das nächste Mal erreichst? Dann machen sie mit ihnen mentales Training und sie müssen sich das, was ihnen mental in den Sinn kommt, vorstellen.

Auf dieser Basis müssen sie sich ihr Gefühl, ihre Empfindung gestalten. Sagen wir jetzt war er Zwanzigster. Fünfzehnter wäre jetzt schon Top für ihn. Und ich stelle immer die gleiche Frage: Warum nicht Erster? Wo ist das Hindernis? Warum nicht? Was haben sie da für Bedenken?

Und ich gebe auch oft den Auftrag: Frag das mal? Und da habe ich auch ein super Beispiel, das jeder kennt. Das war beim Formel 1 Rennen. Denk mal daran, der junge Mann Hamilton, als er 18 war, wurde er Weltmeister. Warum wurde er Weltmeister? Darf ich wieder den Satz sagen: Weil er unbedarft ins Rennen ging.

AMT: Sehr gut, ja.

URSULA HALLER: Verstehst du den Satz? Unbedarft.

AMT: Genau.

URSULA HALLER: Was machen die anderen? Die sagen, du musst dir das so und so vorstellen. Und genau das ist der falsche Ansatz. Bei dem Beispiel geht es um den  Spaßfaktor. Bei vielen Sportlern sehe ich dann aber genau das Gegenteil und sage zu mir: Bitte nein. Nein, der ist ja verbissen und will jetzt unbedingt etwas erreichen.

AMT: Ja, das ist der falsche Ansatz.

URSULA HALLER: Ein anderes Beispiel: Schau mal, jetzt hat ein Sportler es momentan nicht drauf und kann nicht siegen. Der Trainer merkt das, der Betreuer merkt das auch.

AMT: Ja.

URSULA HALLER: Was ist immer die gleiche Antwort? Nehmen Sie sich eine Auszeit. Was ist die Auszeit? Was macht jetzt die Auszeit? Frage dich das einmal. Eigentlich nichts anderes, als was ich in der Geschwindigkeit durch mentales Training und Silva Mind Control mache. In der Auszeit passiert es, dass sich der Sportler alle Tage (das kann man gar nicht verhindern), sagt, ich möchte doch wieder siegen, aber wie. Ja?

AMT: Genau.

URSULA HALLER: Durch diesen inneren Dialog beginnt sein Unterbewusstsein für ihn zu arbeiten. Das weißt du auch von der Gehirnforschung, es arbeitet wie von selbst und sucht nach Lösungen, wieder wettbewerbsfähig zu werden.

Bei der mentalen Programmierung ist die richtige Reihenfolge wichtig, was heißt: Alle Bedenken sind zuerst zu eliminieren. Danach wird ein neues Empfinden zum Geschehen entwickelt. Wenn du nur einen Deckel drauflegst oder Zucker darüber streust, hast du es nicht erledigt, es werden die Bedenken wieder kommen.

Nehmen wir einen Sturz. Ein Paradebeispiel ist der Sturz vom Skispringer Morgenstern. Wie schnell war er wieder auf der Piste? Wie schnell war er wieder oben? Das muss du mal zusammenbringen, dass du dich nach so einem Sturz da oben wieder hinhockst und wieder runter springst. Ja?

AMT: Ja.

URSULA HALLER: Das sind Schwierigkeiten. Er konnte es nur, indem er mental gearbeitet hat. Darum sage ich dir, ich weiß es, die österreichischen Skispringer sind von allen am besten drauf auf dem Gebiet. Die haben am besten verstanden, wie wichtig das Eliminieren ist.

Macht euch einmal bitte eines bewusst: Unser Gehirn ist ein Hochleistungscomputer. Da oben haben wir zwei Teile und das Empfinden haben wir im Bauch. Die drei Anteile arbeiten zusammen und wir müssen uns immer einloggen ins Bauch-Gehirn um von da heraus zu erfahren, zu lernen.

AMT: Es ist auch so, das wesentlich mehr Signale vom Herzen an das Gehirn gesendet werden als umgekehrt.

URSULA HALLER: Ganz richtig. Wenn ich jetzt schon sage, das Gehirn und das Bauchgehirn sind ein Hochleistungscomputer, dann bitte mach dir mal eines bewusst, ich denke immer mit dem banalen Beispiel: Wenn du in deinen Computer ein falsches Wort schreibst, hilft es dir gar nichts, wenn du das Richtige zehn Mal dahinter schreibst. Das ist aber genau das, was viele in ihrem mentalen Training machen.

AMT: Sehr schönes Beispiel, ja.

URSULA HALLER: Ja. Du musst das eine Wort löschen, dann brauchst du das Neue nur ein Mal eingeben. Genau so ist es in dir. Denk an Karate, denk an alle asiatischen Sportarten. Die haben das schon immer gemacht.

Warum können die das? Warum haben wir so Mühe, das zu lernen? Weil das nicht Sportarten sind, wo das Körperliche vordergründig ist, sondern das Geistige.

Körper ist immer wichtig. Ich betone das immer wieder. Es muss sich keiner vorstellen, er braucht gar nicht trainieren. Aber das, was wir in der letzten Zeit wirklich erkennen durften ist, das es in der Weltspitze beim Siegen viel mehr um die mentale Stärke geht als um die körperliche Fitness.

AMT: Gerade im Spitzensport ist das so. Die, die in der Spitze sind, sind physisch alle fit, aber gewinnen tut am Ende wer mental der Stärkere ist.

URSULA HALLER: Ganz richtig. Du sagst es. Das reale Training ist nicht das Wesentliche.

Kommen wir zu einem weiteren Thema: Warum lehrt man nicht allen Sportlern, wenn sie Verletzungen haben, sich mental zu bewegen? Da sind wir jetzt eventuell, wenn man schon meint, bei einem Bild, aber das mit viel Gefühl. Denn, was regt meine Muskeln wirklich an? Das Empfinden, ich mache das jetzt, nicht das Bild bitte.

Ich kann es mir bildhaft vorstellen, aber das Wesentliche ist, das Empfinden in mir. Ich rege jetzt den Muskel an, ich lass ihn wieder los, ich rege ihn an. Nur so funktioniert es.

Beispiel Skifahrer nach einem Unfall: Du stellst dir schon im Krankenbett nach der OP vor, du fährst die Strecke runter. Aber da geht es eben nicht nur um das Bild, sondern um das Empfinden, wie sich der Körper anstrengt, wie sich der Muskel anspannt. Nicht, ich bin da runtergefahren, super war es. Das ist alles zu wenig und das ist der Unterschied.

Das ist genau das, wo Silva immer viel Wert darauf gelegt hat. Es geht um dein Empfinden, um dein Gefühl. Er lehrte uns immer, achtet darauf, dass der Mensch sein Gefühl neu entwickelt, wenn er etwas verändern will.

AMT: Diese Strategie ist in den 70er Jahren sehr erfolgreich von der NASA eingesetzt worden. Als man festgestellt hat, dass Raumfahrer das Problem haben, das die Muskeln zurückgehen, dass die Knochen degenerieren, etc.

URSULA HALLER: Genau, und da war Silva beteiligt.

Mental bedeutet geistige Ebene und da muss ich lernen, das zu tun, zu erfahren was mich weiterbringt. Denn, schau mal, der Spitzensportler lebt von Erfahrungen und Erlebnissen.

AMT: Von denen er lernt.

URSULA HALLER: Genau. Wie du es vorhin schon erwähnt hast, ein guter Spitzensportler fragt sich nicht: Was ist denn da jetzt in meinem Hirn passiert, dass das funktioniert hat? Entschuldigung. Du siehst, es ist egal. Es hat funktioniert.

AMT: Genau.

3. Typische Fragestellungen beim Mental Coaching

AMT: Wenn du mit Sportlern arbeitest, was sind aus deiner Sicht denn so die wesentlichen Themen, die immer wieder aufkommen?

URSULA HALLER: Wie du sagst, die Ängste, die Nervosität, die Angst vor einem Unfall, die Angst vor einem Sturz. Nicht zu vergessen, ganz wesentlich sind auch die unsympathischen Gegner.

Viele Spitzensportler sind im privaten Bereich die besten Freunde. Was erkennen wir daraus? Ich sage den Sportlern immer: Sieh deinen Gegner nicht als Feind. Denn du musst dir nur kurz mal überlegen was es bedeutet, wenn du ein Gefühl Feind in dir. Bitte erzähle mir nicht, da geht es dir gut dabei.

AMT: Da stimme ich dir zu. Ich verstehe das absolut. Das halte ich für extrem wichtig, ja.

URSULA HALLER: Ganz genau. Es ist so wichtig, das sie heute erkennen, welche Einwände sie haben. Was sagen sie denn noch? Es fehlt mir oft an Trainingserfahrung. Da sage ich, bitte dann erklär mir, was das heißt? Du hast trainiert, genauso wie der andere. Was hast du in deinem Training erfahren? Dann kommt als Antwort: Das ist schon ein alter Sportler. Der hat schon viel Erfahrung. Und dann sage ich: Bitte, ich will jetzt von dir wissen, wo fehlt es dir an Erfahrung?

Merkst du, dann kann ich auf das Thema im realen Training eingehen.

AMT: Ja.

URSULA HALLER: Noch einmal, Gefühle sind das Wesentliche. Der Istzustand der Psyche. Wo ist die Einschränkung? Wo ist die Blockade? Genau die erklären sie mir dann.

Ein Beispiel: Vielleicht kennst du die Blicke noch als Kind? Wenn dich der Trainer dann schon so anschaut, weiß du genau, er ist nicht zufrieden. Ich arbeite gerade mit einer jungen Biathletin, die Top ist.

Sie hat dann gesagt: „Ich glaube, die Mama hat ihm gesagt, er soll mich mehr loben. Aber weißt du Ursula, wenn der mich lobt, das wirkt gar nicht, weil der schaut so, das ich weiß das ist nicht ernst, das ist nicht ehrlich.“ Das kennen wir doch alle aus dem täglichen Leben. In dem Moment hat das Lob keine Wirkung, aber gar keine.

AMT: So ist es.

URSULA HALLER: Ja? Was muss ich denn tun? Ich muss mich mit dem Blick des Trainers auseinandersetzen und der Sportler muss das mental aufheben.

AMT: Ein Lob muss authentisch sein.

URSULA HALLER: Ja, und vor allem muss der Sportler begreifen, er macht den Sport für sich und nicht für den Trainer und nicht für die Mutter und für gar niemanden sonst.

AMT: Auch ein wesentlicher Punkt, ja.

URSULA HALLER: Du hattest auch gefragt: Wen betreust du? Da könnte ich dir sagen: Ja, meinen kleinen Schatz, meine 10jährige Enkeltochter, die schon zweimal Staatsmeisterin war, im Trampolinspringen.

Letztes Jahr hatte die Kleine wieder Staatsmeisterschaft in Graz. Albert und ich fuhren mit ihr dort hin in einer Leichtigkeit. Wir hatten nicht ein Wort über den Wettkampf geredet.

Wir sind bewusst am Vortag mit ihr angereist. Am Nachmittag haben wir noch Shopping mit ihr gemacht und am nächsten Morgen fuhren wir in die Halle und die Kleine schaute mich an und sagte: „Oma, ich weiß eines: Nur weil du mit bist werde ich heute siegen.“

Worum geht es mi Kern dabei? Um das gute Gefühl. Womit ich mir das gute Gefühl aufbaue, ist völlig egal. Wenn man sie hinterher gefragt hat: Warst du sehr nervös? „Ich nicht, aber die Oma.“ Weißt du, was ich meine?

AMT: Ja.

AMT: In Teil 4 (nächster Blog)  spreche ich mit Ursula Haller über:

  • (Geheim-)Tipps und Tricks, die häufig versäumt werden
  • Mentaltraining im Aufwind?
  • Nervosität im Wettkampf und wie du sie per „Knopfdruck“ bewältigen kannst
  • Angst vor Unfällen und Verletzungen

Möchtest du mehr solche kostenlosen Tipps und Artikel?

Athletes Mind Talk: Interview mit der Mental Trainerin Ursula Haller (Teil 2/4)

Athletes Mind Talk: Interview mit der Mental Trainerin Ursula Haller (Teil 2/4)

1. Vorwort

Athletes Mind Talk (AMT): Henry Ford hat einmal gesagt: „Ob du denkst, dass du etwas kannst oder ob du denkst, dass du es nicht kannst. Du hast auf jeden Fall Recht. Ich denke, du kannst mehr als du denkst.“ Bei der Athletes Mind Talk Blog Serie interviewe ich Sportler, Coaches und andere herausragende Persönlichkeiten, die über ihre Grenzen gegangen sind und mehr erreicht oder anderen Menschen dabei geholfen haben.

Ursula HallerFür diese Ausgabe habe ich mit Ursula Haller gesprochen. Sie ist Direktorin der Silva-Methode für Deutschland, Österreich und die deutschsprachige Schweiz. Sie hat neben ihrer Silva-Mind-Arbeit jahrzehntelange Erfahrung in der tiefenpsychologischen Therapie und zahlreichen anderen psychologischen Methoden. Viele erfolgreiche Spitzensportler haben in dieser Zeit auf ihr Mentalcoaching vertraut.

InTeil 1 hat Ursula ihren außergewöhnlichen Weg zum Mental Training  und zur Silva Methode vorgestellt (Überwindung einer unheilbaren Krankheit, Der Weg zum Sport, Blinde Akupunkteure…).

 

In Teil 2 spreche ich mit Ursula Haller über:

  • José Silva und die Silva Methode,
  • Intuition: Auf die innere Stimme hören,
  • Die Bedeutung der Gefühlsebene,
  • Mentaltraining ist mehr als Visualisierung und Visualisierung ist mehr als Sehen mit den Augen

Um das Interview so authentisch wie möglich wiederzugeben, habe ich bei dem hier vorliegenden Transkript des Original-Telefoninterviews weitestgehend auf das Redigieren verzichtet. Deshalb bitte ich an dieser Stelle um Verständnis für eine entsprechend lockere Umgangssprache sowie sprachliche Unreinheiten.

Christian Jaerschke

2. Silva Mind

AMT: Ursula du hast gerade das Stichwort „Silva-Mind“ gebracht. Nicht jeder weiß unmittelbar, was das bedeutet. Kannst du vielleicht auch da mal ein paar Sätze dazu erzählen, was Silva-Mind bedeutet. Vielleicht auch wer José Silva war?

2.1 José Silva und die Silva Methode

URSULA HALLER: Was ist die Silva-Methode? Es fordert Selbsterkenntnis. Es ist eine tägliche Auseinandersetzung und du erfährst deine Bedenken, deine Sorgen und bekommst ein Werkzeug, dich in die andere positive Richtung zu lenken. Es ist wie eine selbsterzieherische Methode. José Silva, der die Methode entwickelt hat, nannte es auch „Bewusstseinserweiterung im Sinne eines Gedächtnistrainings“.

Die vielen Techniken, die es gibt, hat er auch aus sich erfahren auf eine sehr ähnliche Art und Weise. Er kam 1914 zur Welt und würde jetzt dieses Jahr 100 Jahre alt werden. Er ist am 7. Februar ´99 verstorben. Als er vier Jahre alt war, starb sein Vater. Er hatte zwei Geschwister, er war in der Mitte und die Großmutter und die Mutter mussten sie alleine ernähren und das in Laredo in Texas.

Vielleicht ein kleines Beispiel: Es gibt diesen Ausspruch: die Kinder bauen Luftschlösser. Es ist natürlich so, dass sie nicht so große Sorgen haben, sondern Groll vielleicht. Groll ist ein heißes Thema. Wer hat keinen Groll auf irgendetwas, auf irgendjemand?

Als Vierjähriger arbeitest du den Groll auf, indem du in dir, so wie Silva es auch sagt, bewusst machst: Heute hat mir Mami kein Eis gekauft, aber eines steht fest, wenn ich einmal groß bin, dann erfülle ich mir diesen Wunsch alle Tage.

Das heißt, das Kind verwirft den Groll, eliminiert ihn, damit will es nichts mehr zu tun haben und denkt in die weite Zukunft. Das wird sich alles lösen, das bekomme ich hin, das geht gut, ich kauf mir ein riesen Eis.

José Silva sagte dazu: Nur, ich konnte als Vierjähriger nicht in die weite Zukunft denken, da wären wir wahrscheinlich nicht mehr am Leben gewesen, sondern musste mich täglich mit der Jetztzeit auseinandersetzen. Er begann, geistig an sich zu arbeiten, indem er am Abend vor dem Einschlafen alle Probleme reflektierte, das Negative mental eliminierte und sich wünschte: Ich möchte morgen den Weg finden, um viel Geld zu verdienen.

Und das hat funktioniert. Er hat mit 4 1/2 Jahren begonnen, auf die Straße zu gehen, um Geld zu verdienen, z.B. in dem er Werbezettel verteilte.

2.2 Intuition: Auf die innere Stimme hören

So erkannte er, Geist herrscht über Materie und dachte, da muss es Frequenzen geben. Es muss in unserem Denken eine Frequenz geben, die nach außen geht, die jemanden antrifft, dem ich z.B. morgen begegne, der mir wieder einen Schritt weiterhilft. Mit 15 Jahren machte er die Ausbildung zum Radiomechaniker. Er meinte immer: „Ich dachte, dort finde ich über die Radiofrequenz die Idee, wie es gehen kann, das meine Gedanken sich in der realen Welt entfalten. Das ich zum Beispiel an einer Kreuzung plötzlich weiß, dass ich nach rechts oder links gehen muss – mir also etwas den Weg weist. Das heißt, genau zu spüren, was richtig ist.

AMT: Man könnte auch sagen, auf die innere Stimme zu hören oder der Intuition zu folgen. In diesem Moment sind wir im sog. Alpha-Zustand.

URSULA HALLER: Ja, und durch mentales Training ist es möglich, diesen Zustand praktisch per Knopfdruck zu erreichen. Der Alpha-Zustand ist nichts anderes, als ein wunderbares, angenehmes Gefühl in dir, geistig ruhend.

AMT: Es gibt wissenschaftliche Studien, die besagen, dass vielleicht nur drei Prozent der Gedanken, die wir denken, wirklich bewusste Gedanken sind. Es gibt unterschiedliche Studien. Manche sagen auch 5 Prozent, aber die große Frage ist: Was passiert in den 97 Prozent, also in dem Unterbewusstsein und wie gelingt es uns sozusagen den Zugang zu dieser gigantischen Ressource zu kriegen? Nicht das Bewusste ist so klein, in meinen Augen ist es eher so, dass das Unbewusste einfach so gigantisch groß ist. Wie gelingt es genau den Zugang zu kriegen?

URSULA HALLER: Was sagen heute die Hirnforscher? 10.000 Entscheidungen treffen wir täglich mehr oder weniger unbewusst. 10.000, die machst du einfach. Du überlegst nicht lange. Du tust und immer wieder ist eigentlich das lange Grübeln, womit wir uns im Wege stehen. Darauf möchte ich später auch noch mal zurückkommen.

AMT: Ja.

URSULA HALLER: Und wenn du jetzt das einfache Wort nimmst, das lange Grübeln, das ist doch auch das, was den Spitzensportler hindert. Das ständige Überlegen, das ständige Denken. Wer ist besser? Was mache ich falsch? Was könnte es sein? Ist es technisch oder was ist es?

Alles ist wichtig. Körper, Geist und Seele müssen eine Einheit sein. Natürlich ist das physische Training unabdingbar. Das ist eine ganz logische Geschichte, denn sonst fehlt auch die Basis für das mentale Training.

2.3 Die Bedeutung der Gefühlsebene

José Silva hat seine eigenen Ideen entwickelt und kam dahinter, wenn wir in diesen Alpha (Bewusstseins-) Zustand sind, ist unser Gehirn auch aufnahmefähiger. Es merkt sich alles besser. Es bringt sich die rechte Gehirnhälfte locker in die linke Hälfte ein.

Wenn ein Sportler heute viele mentale Baustellen hat, im negativen Sinne, wird er die Leistung nicht bringen können. Das ist nicht machbar. Wenn er aber viele positive hat, wird seine Leistung wie von selbst gesteigert.

Bei Leistung sind die Sportler immer auf dem Level: Ich muss noch mehr trainieren. Ich muss körperlich noch mehr tun. Es kann sein, dass dort auch noch etwas fehlt, aber zuerst muss der Geist geklärt sein. Der Athlet sollte sich Fragen: Womit habe ich ein Thema und wo stehe ich mir im Wege.

Im Silva-Kurs ist ein wesentlicher Bestandteil, das Bewusstsein zu schärfen und zu verändern. Hierzu werden viele Techniken gelehrt, den Körper und den Geist zu bewegen, um die Genesung zu erreichen, wenn wir erkranken oder wenn er nicht in der Ordnung ist. Auch eines muss uns klar sein – es gibt den lustigen Ausspruch „die Grippe ist im Anflug“. Wir spüren doch oft, da kommt etwas. Wie oft konnten wir das schon abwenden?

In dem Moment, wo wir aufräumen und die Energie wieder fließt, ist der Körper in der Lage, das zu bewältigen. Das nennt man heute Body-Mind-Medizin in den Staaten. Das ist ein Anteil unseres Grundstockes der Silva-Methode. Besonders wichtig ist es auch, die eigenen negativen selbsterfüllenden Prophezeiungen aufzuspüren und zu löschen oder zu verändern.

AMT: Absolut.

URSULA HALLER: Absolut. Das ist der Inhalt unseres Seminars. Ich glaube, du hast ja schon viele, viele Kurse besucht. Mentales Training ist nicht gleich mentales Training.

2.4 Mentaltraining ist mehr als Visualisierung und Visualisierung ist mehr als Sehen mit den Augen

AMT: Das Erschreckende ist, selbst viele Mentaltrainer (auch Psychologen) fokussieren sich sehr stark auf das rein visuelle Training, also die Visualisierung von Bewegungsabläufen. Aber das ist eben nur ein kleiner Ausschnitt aus den vielfältigen Möglichkeiten des Mentaltrainings.

URSULA HALLER: Du sagst es. Meines Erachtens haben die es selbst nicht verstanden, was Visualisieren heißt. Die Problematik liegt bei uns in der Sprache. Was heißt das jetzt? Visualisieren stammt von dem Wort „verde videre“ und das heißt „sehen“. Was wir aber damit meinen in der Psychologie ist Empfinden mit den inneren Sinnen.

Die Problematik liegt dort, dass sie alle glauben, etwas sehen zu müssen. Sie müssen sich immer Bilder gestalten. Selbst ein bekannter Gehirnforscher, der sich damit beschäftigt, hat am Anfang gesagt: „Gestalten Sie sich etwas, malen Sie sich etwas, zeichnen Sie sich etwas und fühlen Sie das.“ Da ist schon das Problem. Hast du schon mal jemanden zeichnen gesehen ohne Gefühl?

AMT: Schwierig.

URSULA HALLER: Das Gefühl ist immer vorab. Der kann gar nicht zeichnen, wenn er vorher nicht fühlt. Das geht gar nicht. Wir müssen lernen, dass das Gefühl zuerst da ist, die Empfindung ist das Wichtigste. Deshalb wird es niemals funktionieren, wenn sich der Sportler immer nur im Kopf vorstellt, Sieger zu sein (sich ein Bild malt auf dem Podest zu stehen) und im Bauch das Gefühl hat, das wird der Maier und nicht ich.

AMT: Nach dem Motto: Das schaffe ich sowieso nicht.

URSULA HALLER: Dann wird er es auch nicht schaffen. Jetzt drehen wir die Geschichte um. Ist er ein visueller Typ und ist er in der Lage, mit Erschaffen von Bildern sein Gefühl so anzuregen, dass sich das verändert, ist das okay.

AMT: Ich glaube, das ist auch der Grund, weshalb Affirmationen wirken können, bei vielen Menschen aber nicht wirken. Denn wenn ich mir den Satz einfach nur so vorspreche, aber nicht daran glaube oder mein Gefühl etwas anderes sagt, dann funktioniert es eben auch nicht.

URSULA HALLER: Genau, das funktioniert nicht. Ich sage immer wieder, wenn das alles so funktionieren würde, dass ich mir nur etwas vorstellen muss und dann passiert das, dann würden es alle so machen. Denk an Suggestion, dass heute wieder ein heißes Thema ist. Was wissen wir über Suggestion?

Wir haben ständig eine Suggestion, z.B. beim Fernsehen. Der eine Film bringt uns zum lachen und der andere zum weinen. Wenn wir noch so real dastehen und uns sagen, komm, das sind ja nur Schauspieler und der ist jetzt nicht wirklich gestorben.

Die Frage ist: Wie weit hast du dich in diese Thematik eingelassen? Das ist deine Entscheidung. Wenn er für dich jetzt vom Gefühl her gestorben ist, hat das Rationale keine Chancen mehr. Das muss uns allen klar werden. Das Gefühl ist das Wichtigste.

AMT: In Teil 3 (nächster Blog)  spreche ich mit Ursula Haller über:

  • Mental Training und die (un-)gelebte Praxis im Sport
  • Typische Fragestellungen beim Mental Coaching

Möchtest du mehr solche kostenlosen Tipps und Artikel?